Leitsatz

Die Regelung, dass bei einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid die Steuerfestsetzung nach Ablauf der Festsetzungsfrist wegen des damit verbundenen Wegfalls des Vorbehalts der Nachprüfung nicht mehr nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geändert werden kann, gilt für die Änderung eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheids nach Ablauf der Feststellungsfrist sinngemäß.

 

Normenkette

§§ 164 Abs. 4, 181 Abs. 1 AO

 

Sachverhalt

Die Kläger sind Gesellschafter einer GmbH. Gemeinsam mit den beiden anderen Gesellschaftern der GmbH, den Beigeladenen, gründeten sie 1991 die "Gemeinschaft K-Aktien" zum Zweck des gemeinschaftlichen Erwerbs eines Aktienpakets der K-AG. Der Erwerb der Aktien wurde über ein auf den Namen der vier Gemeinschafter lautendes Darlehenskonto finanziert. 1991 fielen Schuldzinsen in Höhe von 13926 DM und 1992 von 40415 DM an. Am 17.7.1992 wurden Dividenden in Höhe von 3281 DM gutgeschrieben. Im Februar 1993 verkaufte die Gemeinschaft ihre letzten Aktien. Die Gemeinschaft reichte für 1991 am 29.12.1992 und für 1992 am 8.3.1993 eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ein.

Das FA erließ am 28.5.1993 für die Streitjahre 1991 und 1992 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) stehende Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. Es setzte die Einnahmen aus Kapitalvermögen auf 0 DM (1991) und 3281 DM (1992) fest und berücksichtigte als Werbungskosten die Schuldzinsen anteilsmäßig bei den vier Beteiligten. Am 2.1.1997 ergingen nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, in denen das FA die Einnahmen und Werbungskosten mit jeweils 0 DM feststellte, weil eine Einkünfteerzielungsabsicht nicht bestanden habe. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Kläger hatte in Bezug auf das Streitjahr 1991 Erfolg.

 

Entscheidung

1. Das FG hat übersehen, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsbescheids für 1991 vom 2.1.1997 die vom FA angeführte Rechtsgrundlage für die Änderung bzw. Aufhebung des Feststellungsbescheids vom 28.5.1993 entfallen war.

Das FA hat die Änderung des Feststellungsbescheids für 1991 zu Unrecht auf § 164 Abs. 2 AO gestützt. Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO entfällt der VdN, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. Diese Vorschrift gilt gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO für die Feststellungsfrist sinngemäß. Im Streitfall sind die Beteiligten übereinstimmend und zutreffend davon ausgegangen, dass die Feststellungsfrist für das Jahr 1991 am 31.12.1996 abgelaufen ist (vgl. § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). War danach der im Feststellungsbescheid vom 28.5.1993 enthaltene VdN mit Ablauf des 31.12.1996 entfallen und nicht mehr wirksam, dann konnte die erst am 2.1.1997 erfolgte Aufhebung oder Änderung nicht mehr auf § 164 Abs. 2 Satz 1 AO gestützt werden.

2. Die Revision ist unbegründet, soweit die Kläger die Aufhebung des Feststellungsbescheids für 1992 begehren. Insoweit hat das FG die Klage zu Recht abgewiesen. Am 2.1.1997 war die Feststellungsfrist für 1992 noch nicht abgelaufen.

 

Hinweis

Der Vorbehalt der Nachprüfung eines Steuerbescheids entfällt automatisch, wenn die Festsetzungsfrist abläuft (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO). Dasselbe gilt nach dem Besprechungsurteil für einen Feststellungsbescheid, wenn die Feststellungsfrist abläuft (§ 181 Abs. 1 i.V.m. § 164 Abs. 4 Satz 1 AO). Etwas anderes könnte man nur dann annehmen, wenn § 181 Abs. 5 Satz 1 AO in dem Sinn ausgelegt werden könnte, dass die Feststellungsfrist partiell insoweit hinausgeschoben werde, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung mit noch offener Festsetzungsfrist von Bedeutung ist.

In der Tat wird in der Begründung zu § 185 EAO ausgeführt, im Ergebnis führe § 181 Abs. 5 AO zu einer Art Ablaufhemmung der Feststellungsfrist für gesonderte Feststellungen. Auch wird in der Gesetzesbegründung sowie in Rechtsprechung und Schrifttum die "dienende Funktion" des Feststellungsverfahrens für das Festsetzungsverfahren betont (BT-Drucks. VI/1982, 157; Tipke/Kruse, § 181 AO Tz. 19). Aus der Technik separater Feststellung von Besteuerungsgrundlagen dürften dem Steuerpflichtigen keine Nachteile, aber auch keine Vorteile entstehen (vgl. BFH, Urteil vom 16.10.1991, II R 23/89, BStBl II 1992, 454, 456).

Gleichwohl halte ich – ebenso wie stillschweigend das Besprechungsurteil – den Wortlaut des § 164 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. §§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO und 181 Abs. 5 AO für unüberwindbar. Die §§ 181 Abs. 1, 164 Abs. 4 Satz 1 AO sehen eine Ausnahme vom Wegfall des Vorbehalts der Nachprüfung für den Fall, dass die Festsetzungsfrist für die Folgesteuern bei einem Teil oder bei allen Feststellungsbeteiligten noch nicht abgelaufen ist, nicht vor. § 181 Abs. 5 AO lässt sich m.E. nicht entgegen seinen eindeutigen Wortlaut ("Eine gesonderte Feststellung kann auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellu...

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