OFD Karlsruhe, 18.3.2022, S 0260 (§ 108 Karte 1)

1

Hat der Steuerpflichtige eine Handlung (die Abgabe einer Steuererklärung, die Stellung eines Antrags oder die Einlegung eines Rechtsbehelfs) bis zum Ablauf eines Tages vorzunehmen, läuft die Frist um 24.00 Uhr ab. Für die Einhaltung der Frist ist es ausreichend, wenn das Schriftstück bis zu diesem Zeitpunkt in den Machtbereich des Finanzamts gelangt.

2

Im Interesse einer einheitlichen Handhabung und zur Vermeidung von Nachteilen für den Steuerpflichtigen sind die Posteingänge wie folgt zu behandeln:

2.1

Eingänge im Hausbriefkasten des Finanzamts

Die Frist ist gewahrt, wenn das Schriftstück so rechtzeitig in den Hausbriefkasten gelangt, dass es bis zum Ablauf der Frist noch hätte in Empfang genommen werden können. Das ist stets der Fall, wenn das Schriftstück sich bei Ablauf der Frist im Hausbriefkasten befindet. Wird der Hausbriefkasten nicht unmittelbar nach diesem Zeitpunkt geleert, erhalten Schriftstücke, die bei der ersten danach folgenden Leerung entnommen werden, als Eingangsdatum das Datum des Tages, an dem der Hausbriefkasten zuletzt geleert worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.1987, I R 12/84, BStBl II 1988 S. 111).

Beispiel

Wenn der Hausbriefkasten am Freitag, 16.00 Uhr, zuletzt geleert wurde, erhalten die Schriftstücke, die bei der nächsten Leerung am Montag entnommen werden, das Eingangsdatum vom Freitag.

2.2

Eingänge im Postfach (Postschließfach) des Finanzamts

Schriftstücke, die in das Postfach des Finanzamts eingelegt werden, sind dem Finanzamt nicht schon mit dem Einsortieren in das Postfach, sondern erst in dem Zeitpunkt zugegangen, in welchem das Postfach normalerweise geleert zu werden pflegt, sofern nicht nach den Gepflogenheiten des Verkehrs eine frühere Entnahme erwartet werden konnte (BFH-Beschluss vom 3.8.1978, VI R 73/78, BStBl 1978 II S. 649). Ist der verspätete Zugang eines in das Postfach eingelegten Schriftstückes darauf zurückzuführen, dass das Finanzamt das Postfach arbeitstäglich nur im Verlauf des Vormittags leert, kann sich das Finanzamt auf eine dadurch verursachte Überschreitung einer Frist nicht berufen (BFH-Urteil vom 22.10.1975, I R 214/73, BStBl 1976 II S. 76). Wird das Postfach des Finanzamts an jedem Arbeitstag zwar vormittags, nicht aber nachmittags zum Ende der Dienstzeit geleert, erhalten daher die Schriftstücke, die dem Postfach bei der ersten Leerung eines Tages entnommen werden, als Eingangsdatum das Datum des letzten vorangegangenen Arbeitstages. Dies gilt nicht, wenn feststeht, dass seit der Leerung des Postfachs am letzten vorangegangenen Arbeitstag keine Schriftstücke bis zum Ende dieses Tages in das Postfach gelangt sind.

Die vorstehenden Grundsätze gelten in gleicher Weise auch dann, wenn für das Finanzamt ein Postfach nicht eingerichtet ist, die Post aber regelmäßig durch das Finanzamt beim Postamt abgeholt wird.

2.3

Für Einschreibesendungen, die vom Finanzamt beim Postamt abgeholt werden, gilt Tz. 2.2 entsprechend. Der Zugang eines Einschreibebriefes wird nicht schon mit der Hinterlegung eines Benachrichtigungsscheines im Postfach des Empfängers bewirkt, sondern erst mit der Übergabe des Briefes an eine zur Annahme berechtigte Person (BFH-Urteil vom 22.10.1975, a.a.O.). Die Briefumschläge zu dem Finanzamt zugehenden Einschreibesendungen sind zu den Akten zu nehmen.

3

Verzögerungen, die als Folge der Unterfrankierung eines Briefes eintreten, liegen im Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen und sind daher von diesem zu vertreten (BVerfG, Urteil vom 16.12.1975, 2 BvR 854/75, BVerfGE 41, 23-28).

4

Fällt der letzte Tag der Frist auf einen dienstfreien Tag, der kein Samstag, Sonntag oder staatlich anerkannter Feiertag ist, so tritt die Wirkung nach § 108 Abs. 3 AO, § 193 BGB nicht ein. Die Frist endet vielmehr mit dem Ablauf dieses Tages. Verzögert sich der Zugang eines an diesem Tag im Postfach des Finanzamts eingehenden Schriftstücks, so darf eine dadurch verursachte Fristüberschreitung dem Steuerpflichtigen nicht nachteilig angerechnet werden.

5

Zur Behandlung der zu Beginn eines Kalenderjahres eingehenden Abtretungs- und Verpfändungsanzeigen Hinweis auf Karte 2 Tz. 2 zu § 46.

 

Normenkette

AO 1977 § 108

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