Die letzte große Änderung des Bewertungsrechts liegt fast 55 Jahre zurück. Mit Inkrafttreten des Bewertungsänderungsgesetz 1965 wurden die zu diesem Zeitpunkt völlig überholten Einheitswerte des Grundbesitzes aus den 1930er Jahren auf den 1.1.1964 neu festgestellt. Wenige Jahre später, in den 1970er Jahren, wurde erkannt, dass die Hauptfeststellung 1964 weder in der Durchführung noch in den Ergebnissen den Erfordernissen einer sachgerechten, gleichmäßigen und verwaltungsmäßig einfach zu handhabenden Bewertung entsprach. Gleichwohl waren die Einheitswerte zunächst noch sowohl für die Grundsteuer, die Vermögensteuer, die Gewerbekapitalsteuer, die Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie für die Grunderwerbsteuer maßgeblich.

Die Beschlüsse des BVerfG vom 22.6.1995 – 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121 = BStBl. II 1995, 655) zur Gleichheitswidrigkeit der Vermögensteuer und vom 22.6.1995 – 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671) zur Gleichheitswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer leiteten das Ende der Einheitswerte ein. Mit dem Auslaufen der Vermögensteuer Ende 1996 waren sodann die nach den Wertverhältnissen von 1935 in den neuen Bundesländern und nach den Wertverhältnissen von 1964 in den alten Bundesländern festgestellten Einheitswerte des Grundbesitzes als Besteuerungsgrundlage im Wesentlichen nur noch für die Grundsteuer sowie für die (ab 1998 ebenfalls weggefallene) Gewerbekapitalsteuer von Bedeutung. Zur Ermittlung der Werte des Grundbesitzes für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer fand ab dem 1.1.1996 eine Bedarfsbewertung statt, die sich im Einzelnen nach den Regelungen in den §§ 138 bis 150 BewG a.F. vollzog. Dasselbe galt ab 1.1.1997 auch für Bewertungen für Zwecke der Grunderwerbsteuer.

Diese Bedarfsbewertung galt – für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer – nur etwas mehr als zehn Jahre. Mit Beschluss vom 7.11.2006 – 1 BvL 10/02 (BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007, 192) entschied das BVerfG auf Vorlage des BFH, dass die Bewertung des anfallenden Vermögens einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel ausgerichtet sein müsse. Die Bewertungsmethoden müssten gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst würden. Diesen Anforderungen würden die geltenden Regelungen nicht gerecht. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, die Bewertung und das ErbStG bis spätestens 31.12.2008 neu zu regeln. Bis dahin war das alte (verfassungswidrige) Recht weiter anzuwenden. Aber auch das daraufhin am 1.1.2009 in Kraft getretene ErbStRG 2009 vom 24.12.2008 (BGBl. I 2008, 3018 = BStBl. I 2009, 67) hielt der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Mit Urteil vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12 (BVerfGE 138, 136 = BStBl. II 2015, 50) erkannte das BVerfG erneut, dass das ErbStG verfassungswidrig sei, jedoch nicht wegen der gleichheitswidrigen Bewertung, sondern wegen der gleichheitswidrigen Begünstigung. Dem Urteil lag erneut eine Vorlage des BFH zugrunde. Das BVerfG setzte dem Gesetzgeber eine Frist zur Korrektur des ErbStG, diesmal jedoch "nur" eineinhalb Jahre. Das Ergebnis des mühsamen Gesetzgebungsverfahrens ist das derzeit geltende ErbStG in der Fassung durch das ErbStAnpG vom 4.11.2016 (BGBl. I 2016, 2464). Dieses Gesetz enthält eine Vielzahl von komplizierten Vorschriften, um das begünstitge Betriebsvermögen vom nichtbegünstigten Vermögen abzugrenzen. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Gesetz oder einzelne Bestimmungen daraus erneut einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen werden. Es wäre zu wünschen, dass es dem Gesetzgeber nach über 40 Jahren nun endlich gelungen ist, die Festsetzung der Erbschaft- und Schenkungsteuer auf eine verfassungsrechtliche Grundlage zu stellen. Für den Rechtsanwender erfreulich: Nach jahrelangem Ringen haben sich die Länder nun auch auf eine einheitliche Auslegung des seit Mitte 2016 geltenden Rechts geeinigt. Am 16.12.2019 wurden die neuen Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 veröffentlicht.

Für die Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Grunderwerbsteuer hielt der Gesetzgeber weiter an der Bedarfsbewertung fest, die das BVerfG ja bereits durch Beschluss vom 7.11.2006 – 1 BvL 10/02 (BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007, 192) für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer für gleichheitswidrig angesehen hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, wann die Frage der Verfassungswidrigkeit dieser Bewertung an das BVerfG herangetragen würde. Der Gesetzgeber hatte offensichtlich nicht die Kraft, die verfassungswidrige Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Grunderwerbsteuer ohne Vorgaben aus Karlsruhe neu zu regeln. Der BFH hat sodann mit Beschluss vom 2.3.2011 – II R 23/10 (BStBl. II 2011, 932) eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob die Bestimmung der Ersatzbemessungsgrundlage nach dem Bedarfswert mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Mit Beschluss vom 23.6.2015 – 1 BvL 13/11 (BVerfGE 139, 285 = BStBl. II 2015, 871) ist das BVerfG dem BFH gefolgt und hat die geltende Regelung rückwirkend für unanwendbar erklärt. D...

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