Leitsatz

Allein die Tatsache, dass sich ein (Vor)Lieferer im Rahmen einer Leistungskette der Umsatzbesteuerung entzieht, führt nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger. Liegen allerdings erhebliche Anhaltspunkte für ein so genanntes Karussellgeschäft vor, muss der Steuerpflichtige nachweisen, dass er tatsächlich die Verfügungsmacht an dem Gegenstand erhalten hat, für den er den Vorsteuerabzug geltend macht.

 

Sachverhalt

Die Klägerin begehrte als Rechtsnachfolgerin einer OHG die Festsetzung negativer Umsatzsteuern für die Voranmeldungszeiträume Februar bis Mai und Juli bis November 1999 in Höhe von rund 2,2 Millionen EUR unter Aufhebung festgesetzter positiver Umsatzsteuer in Höhe von rund 3 Millionen EUR. Insgesamt ergab sich daraus ein Streitwert von über 5,3 Millionen EUR.

Umfangreiche, europaweit durchgeführte Ermittlungsverfahren der Finanzverwaltung brachten mehr oder weniger klare Anhaltspunkte zum Vorschein, dass die Klägerin in ein so genanntes Umsatzsteuer-Karussell eingebunden war. Deshalb versagte die Finanzverwaltung den Vorsteuerabzug aus Rechnungen mehrerer Firmen, gegen die bereits europaweit ermittelt worden war. Außerdem wurde als zu versteuernde sonstige Leistungen die Erstellung von "Paperworks" angesetzt in Höhe der Differenz zwischen Eingangs- und Ausgangsrechnungen.

Nachdem das Finanzamt zunächst von Scheinlieferungen ausgegangen war, hat es im Rahmen des weiteren Verlaufs des Verfahrens das tatsächliche Vorhandensein von Waren sowie das Vorliegen der Rechnungen nicht mehr bestritten. Unter anderem wurde bei einer eingeschalteten Spedition die Menge von 17.000 Mobiltelefonen vorgefunden. Dennoch ergebe sich bei einer Gesamtschau, dass keine Lieferungen an die Klägerin erbracht wurden, weil an der Ware keine eigenständige Verfügungsmacht übertragen worden sei. Vielmehr seien Preise, Lieferanten und Abnehmer der Kette von Dritten vorgegeben worden. Die verschiedenen eingeschalteten Firmen seien nur Bestandteil eines übergreifenden kriminellen Gesamtplans, so die Finanzverwaltung.

 

Entscheidung

Das Hessische Finanzgericht bestätigte zunächst, dass ein Strohmann durchaus Leistender im Sinne des Umsatzsteuerrechts sein kann, solange Strohmann und Leistungsempfänger nicht einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts zwischen dem Dritten und dem Hintermann eintreten sollen.

Weiterhin wiesen die Richter darauf hin, dass die Tatsache, dass der Vorlieferant oder ein in der Leistungskette an früherer Position stehendes Unternehmen sich nach Leistungsausführung und Rechnungsausstellung dem Zugriff der Finanzbehörde entzogen hat und seine steuerlichen Pflichten verletzt, nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger führt. Eine Änderung der Rechtslage ergibt sich allerdings für Umsätze ab dem 1.1.2002, da in diesen Fällen womöglich eine Haftungsinanspruchnahme gemäß dem neu in das UStG eingefügten § 25d zu prüfen ist. Bereits die Einführung der Vorschrift zeige, dass für die Streitjahre (vor 2002) der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers durch fahrlässige Unkenntnis oder Kenntnis der Steuerunehrlichkeit des Lieferanten grundsätzlich nicht tangiert wird.

Liegen jedoch erhebliche Anhaltspunkte für die Einbeziehung des Steuerpflichtigen in ein Umsatzsteuerkarussell vor, kann der Vorsteuerabzug versagt werden, sofern der Leistungsempfänger nicht nachweist, dass die Gegenstände tatsächlich an ihn geliefert wurden.

Die Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen scheitert aber grundsätzlich nicht daran, dass auf den Rechnungen kein ausdrücklicher Hinweis auf die Steuerfreiheit erfolgt ist.

 

Hinweis

Das Hessische Finanzgericht hat die Vorgehensweise der Finanzverwaltung im Wesentlichen gebilligt. Dabei spielte wohl auch eine Rolle, dass auf Grund der überaus umfangreichen Ermittlungen der Steuerfahndung offenbar erwiesen war, dass sowohl die Vor-Vorlieferanten zum Zweck der Steuerhinterziehung gegründet wurden und der unmittelbare Vorlieferant als Käufer in die Steuerhinterziehung eingebunden war und sich weitere erhebliche Anhaltspunkte für eine wesentliche Beteiligung des Steuerpflichtigen ergeben haben. Diese lagen nicht zuletzt darin, dass sämtliche Verkaufsabschlüsse und Liefervorgänge über mehrere Händler an einem einzigen Tag durchgeführt und zudem die Ware an den ersten Verkäufer zurückverkauft wurde.

So genannte Umsatzsteuer-Karusselle (zum beispielhaften Ablauf vgl. schon Mittler in UR 2001 S. 385) haben bereits verstärkt die Finanzgerichte beschäftigt und zu ganz unterschiedlichen Urteilen geführt. So vertritt das Finanzgericht Baden Württemberg (Beschluss v. 7.5.2004, 12 V 10/04, EFG 2004 S. 1405) die Auffassung, dass allein die Involvierung in ein Umsatzsteuer-Karussell nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs führt.

Wer als Berater mit dem Vorwurf der aktiven Beteiligung seines Mandanten an einem Karussellgeschäft konfrontiert wird, kann ziemlich sicher davon ausgehen, dass die Finanzverwaltung den Weg dur...

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