Leitsatz

Hat ein EU-Mitgliedstaat die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens so behandelt, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, so gehören die Ausgaben des Übertragenden für die Dienstleistungen, die er zur Durchführung der Übertragung in Anspruch nimmt, zu seinen allgemeinen Kosten; sie weisen grundsätzlich einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit auf.

Führt der Übertragende sowohl Umsätze aus, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, kann er nur den Teil der Umsatzsteuer abziehen, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.

Weisen jedoch die verschiedenen Dienstleistungen, die der Übertragende für die Durchführung der Übertragung in Anspruch genommen hat, einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem klar abgegrenzten Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit auf, so dass die Kosten dieser Dienstleistungen zu den allgemeinen Kosten dieses Unternehmens gehören, und unterliegen alle Umsätze dieses Unternehmensteils der Umsatzsteuer, so kann der Unternehmer die gesamte Umsatzsteuer abziehen, die seine Ausgaben für die Vergütung dieser Dienstleistungen belastet.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1a UStG , § 15 UStG , Art. 5 Abs. 8, 17 Abs. 5 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

In einem vom High Court of Justice dem EuGH vorgelegten Fall verpachtete eine Firma, die Scottish Mutual, Gewerbeimmobilien unter Inanspruchnahme einer zulässigen Option steuerpflichtig. Sie verkaufte ihre Rechte aus dem Pachtvertrag an ein anderes Unternehmen. Unstreitig stellte der Verkauf eine Übertragung unter Fortführung des Betriebs dar, der nach englischem Recht keine Umsatzsteuer auslöste. Um den Verkauf durchführen zu können, nahm Scottish Mutual verschiedene Dienstleistungen in Anspruch und begehrte den Vorsteuerabzug für die insoweit gezahlten Honorare.

 

Entscheidung

Der EuGH hat zunächst die allgemeinen Grundsätze zum Vorsteuerabzugsrecht bestätigt und den Abzug solcher Beträge zugelassen, die Aufwendungen betreffen, die Teil der Kosten der besteuerten Ausgangsumsätze seien. Zwar ständen die Kosten der hier in Rede stehenden Dienstleistungen in keinem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht zum Vorsteuerabzug eröffneten. Sie gehörten jedoch zu den allgemeinen Kosten des Unternehmers und gingen als solche mit in den Preis der Produkte des Unternehmens ein.

Selbst im Fall der Übertragung eines Gesamtvermögens, in dem der Unternehmer nach Inanspruchnahme der fraglichen Dienstleistung keine Umsätze mehr tätigt, seien die Kosten für diese Dienstleistungen als Bestandteil der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens vor der Übertragung anzusehen.

Unterliegen alle Umsätze aus dem klar und eindeutig mit der Geschäftsveräußerung zusammenhängenden Tätigkeiten der Umsatzsteuer, so kann der Unternehmer die gesamte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen.

 

Hinweis

Die Geschäftsveräußerung im Ganzen führt zu einem nicht steuerbaren Umsatz, ungeachtet einer Entgeltlichkeit, Teilentgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit. Besonderes Problem für die Praxis macht zum einen die Frage, wann eine Gechäftsveräußerung im Ganzen vorliegt, vor allem im Bereich veräußerter Gebäude. So ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Veräußerung eines von mehreren vermieteten Häusern bereits als eine Teilbetriebsveräußerung die Rechtsfolge der Nichtsteuerbarkeit des § 1 Abs. 1a UStG auslösen kann.

Die Verwaltung nimmt zum Teil eine solche Nichtsteuerbarkeit ohne weitere Nachweise an, zum Teil werden gesonderte Nachweise für das Vorliegen eines Teilbetriebs für das veräußerte Haus verlangt.

Ebenfalls umstritten war bislang die Frage, wie der Vorsteuerabzug anlässlich der Geschäftsveräußerung beim Veräußernden zu beurteilen ist. Grundsätzlich entscheidet sich die Vorsteuerabzugsmöglichkeit anhand der Qualität der Ausgangsumsätze. Sind diese steuerfrei, so versagt § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug. Wenn aber – wie bei der Geschäftsveräußerung im Ganzen – der Umsatz kraft gesetzlicher Anordnung nicht steuerbar ist, entfällt ein beurteilungsfähiger Ausgangsumsatz. Bislang wurden drei mögliche Alternativen diskutiert:

  • Der Vorsteuerabzug beurteilt sich anhand der Ausgangsumsätze des Erwerbers, da dieser gem. § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG in die Rechtsposition des Veräußernden einrückt.
  • Der Vorsteuerabzug beurteilt sich danach, wie der Umsatz der Veräußerung – wenn er steuerbar wäre – hinsichtlich § 15 Abs. 2 zu beurteilen wäre.
  • Schließlich sollte sich der Vorsteuerabzug alleine nach den Ausgangsumsätzen des Veräußernden beurteilen, die dieser im Rahmen seines Unternehmens ansonsten ausgeführt hat bzw. ausführt.

Der EuGH hat sich der letzten Interpretation angeschlossen. Sämtliche Übertragungskosten anlässlich einer Geschäftsveräußerung im Ganzen führen damit beim Veräußernden zum Vorsteuerabzug, soweit der Veräußernde ansonsten Umsätze tätigt, die zum vollen Vorsteuerabzug führen. ...

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