Rz. 31

[Autor/Stand] Gemäß § 21 Abs. 1 BewG wird der Einheitswert allgemein in Zeitabständen von je sechs Jahren festgestellt. Der letzte tatsächliche Hauptfeststellungszeitpunkt war der 1.1.1964. Seit diesem Zeitpunkt wurde seitens der Finanzverwaltung keine Hauptfeststellung mehr durchgeführt. Dies beruht auf Art. 2 Abs. 1 Satz 3 BewÄndG 1965 i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes vom 22.7.1970.[2] Danach wird der Zeitpunkt der auf die Hauptfeststellung 1964 folgenden nächsten Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes abweichend von § 21 Abs. 1 BewG durch gesondertes Gesetz bestimmt. Ein solches Gesetz ist jedoch nie ergangen.

Zwischen dem Hauptfeststellungszeitpunkt und den nachfolgenden Bewertungsstichtagen wurde folglich mangels neuen Hauptfeststellungszeitpunktes der Zeitraum zunehmend länger. Der Gesetzgeber hatte bis zur Reform der Grundsteuer ungeachtet des weit zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts das Konzept der periodischen zeitnahen Bewertung beibehalten. Er hielt unverändert am Erfordernis nachfolgender Hauptfeststellungen auf der Grundlage der Bestimmung des Zeitpunkts auf der Grundlage eines besonderen Gesetzes fest. Der hieraus resultierende sehr lange Hauptfeststellungszeitraum wurde für die Akzeptanz der Praxis, insb. der Gerichte, sowie deren Nachvollziehbarkeit durch den Steuerpflichtigen zunehmend problematischer. Im Ergebnis liegt aktuell (1.1.2023) der letzte Hauptfeststellungszeitpunkt 59 Jahre zurück.

 

Rz. 32

[Autor/Stand] Das System der Hauptfeststellung auf einen bestimmten Stichtag ist darauf angelegt, dass Hauptfeststellungen in bestimmten, nicht übermäßig langen Abständen stattfinden. Hauptfeststellungen sind erforderlich, um die sich innerhalb des Zeitraums, für den die festgestellten Werte Geltung haben sollen, ergebenden Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse vollständig zu erfassen und einen Wertabgleich am Maßstab der aktuellen Verkehrswerte vorzunehmen. Die mit der Feststellung der Wertverhältnisse für einen Hauptfeststellungszeitraum verbundenen Bewertungsungenauigkeiten sind deshalb aus verfassungsrechtlicher Hinsicht nur hinnehmbar, wenn der Hauptfeststellungszeitraum eine angemessene Dauer nicht überschreitet.

 

Rz. 33

[Autor/Stand] Bei den einzelnen Regelungen des Sachwertverfahrens, bei denen insb. die §§ 86, 90 BewG die Durchführung von Hauptfeststellungen in regelmäßigen Zeitabständen voraussetzen, stellte sich im Hinblick auf die fehlende Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben die Rechtmäßigkeit der Besteuerung auf der Basis der derart ermittelten bzw. verwendeten Werte. Zumindest konnte vor diesem Hintergrund seitens des Steuerpflichtigen die formale Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides in Frage gestellt werden.

 

Rz. 34

[Autor/Stand] Die Verfassungsmäßigkeit des Einheitsbewertungsrechts war allerdings trotz des unveränderten Hauptfeststellungszeitpunkts 1.1.1964 nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung[6] zumindest bis zur Entscheidung des BFH im Oktober 2014[7] zu bejahen. Der BFH hielt die Vorschriften über die Einheitsbewertung spätestens ab dem Bewertungsstichtag 1.1.2009 für verfassungswidrig, weil die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 für die Einheitsbewertung zu Folgen führe, die mit dem Gleichheitssatz gemäß Art. 3 GG nicht mehr vereinbar seien.

Unzulässige Wertverzerrungen in diesem Zusammenhang wurden vom BFH insb. in dem folgenden Zusammenhang festgestellt:[8]

  • Die seit 1964 eingetretenen tiefgreifenden Veränderungen im Gebäudebestand sowie auf dem Immobilienmarkt als Folge der Festschreibung der Wertverhältnisse auf den 1.1.1964 hätten keinen hinreichenden Einfluss auf den Einheitswert gehabt; es bestehe eine immer größere Zahl von Gebäuden, die sich nach Bauart, Bauweise, Konstruktion oder Objektgröße von den im Jahr 1958, dessen Baupreisverhältnisse für die Einheitsbewertung von Gebäuden im Sachwertverfahren maßgeblich seien, vorhandenen Gebäuden so sehr unterscheiden, dass ihre Bewertung nicht mehr mit einer verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Genauigkeit und Überprüfbarkeit möglich sei. Für die Herstellungskosten derartiger Gebäude bestehe keine Vergleichsmöglichkeit mit entsprechenden Gebäuden, die im Jahre 1958 errichtet wurden. Schätzungen könnten nur zu mehr oder minder richtigen Näherungswerten führen. Entsprechendes gelte auch für die Bewertung im Ertragswertverfahren;[9]
  • die für die Bewertung maßgebliche Anknüpfung an den 1.1.1964 bzw. das Jahr 1958 führe dazu, dass Eigenschaften und Ausstattungsmerkmale von Gebäuden und Wohnungen, die seinerzeit allgemein nicht anzutreffen gewesen seien oder denen anders als heute seinerzeit keine oder nur eine unbedeutende wertmäßige Bedeutung zugemessen worden sei (z.B. Energieeffizienz, Solaranlagen, Wärmepumpen, Lärmschutz, luxuriöse Bad- und Küchenerinrichtungen, elektronische Steuerung der Haustechnik, Anschlussmöglichkeiten an Hochgeschwindigkeitsnetze), keinen nennenswerten Niederschlag im Einheitswert fänden;[10]
  • Die seit 1964 ei...

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