Leitsatz

Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG setzt keine Beendigung der unternehmerischen Betätigung des Veräußerers voraus.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1a UStG 1999, Art. 5 Abs. 8, Art. 6 Abs. 5 6. EG-RL, Art. 19 MwStSystRL, § 16 EStG

 

Sachverhalt

Die W-GmbH betrieb in X eine Klinik zur Behandlung von Gefäßerkrankungen. Gesellschafter (jeweils zur Hälfte) und Geschäftsführer der W-GmbH waren die Ärzte Y und Z. Die W-GmbH übte ihren Geschäftsbetrieb in gemieteten Räumen auf dem Grundstück U-Straße in X aus.

Die W-GmbH veräußerte an Z "ihren gesamten Bestand an technischen Anlagen und Maschinen". Ferner gingen sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis sowie die Konzession zum Betrieb der Klinik auf Z über. Zudem trat Z in die Rechte und Pflichten aus den mit der W-GmbH bestehenden Arbeitsverhältnissen und weiteren Dauerschuldverhältnissen ein.

Z betrieb unter der bisherigen Anschrift mit den erworbenen Wirtschaftsgütern und dem von der W-GmbH übernommenen Personal eine Klinik für Venenmedizin in der Rechtsform eines Einzelunternehmens. Die W-GmbH führte ihr Unternehmen an anderer Stelle in X fort.

Das FA verneinte das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG, weil die W-GmbH ihr Unternehmen in X fortgeführt hatte, wenn auch unter anderer Anschrift.

Das FG gab der Klage statt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.2.2012, 12 K 3973/08, Haufe-Index 2955737, EFG 2012, 1192).

 

Entscheidung

Die Revision des FA blieb erfolglos. Der BFH führte aus, bei der im Streitfall erfolgten Übertragung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens einschließlich des Übergangs der Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis und weiteren Dauerschuldverhältnissen, dem gewollten Übergang der Konzession zum Betrieb einer Klinik und der im Zeitpunkt der Übertragung bestehenden Arbeitsverhältnisse handele es sich um Teilvermögen i.S.d. Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-RL und in richtlinienkonformer Auslegung um einen in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betrieb i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG.

Auch ohne Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit durch die veräußernde W-GmbH habe Z den Klinikbetrieb fortführen können. Dies schließe es im Streitfall aus, eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG von der Beendigung der unternehmerischen Betätigung bei dem Veräußerer abhängig zu machen.

 

Hinweis

Nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.8.2012 – XI R 10/12

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