Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsveräußerung im Ganzen bei der Veräußerung von Anlagevermögen einer Klinik ohne Überlassung der Patientenkartei und ohne Übertragung der Konzession zum Betrieb der Klinik

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen setzt voraus, dass der Erwerber die Unternehmensfortführung beabsichtigt, so dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglicht.

2. Die Übertragung aller wesentlicher Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist dabei nicht erforderlich. Der Unternehmsfortführung steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert.

3. Der Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen steht es nicht entgegen, wenn bei der Veräußerung einer Klinik die Konzession zum Betrieb der Klinik nicht auf den Käufer übergeht und keine ausdrückliche Abrede über den Verbleib der Patientenkartei getroffen wird.

4. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt auch dann vor, wenn der Erwerber nach einem Zeitraum von eineinhalb Jahren die übernommenen Vermögensgegenstände in eine GmbH einlegt.

5. Einer Geschäftsveräußerung im Ganzen steht es nicht entgegen, wenn der Verkäufer das Unternehmen nach dem Verkauf in bisherigem Umfang fortführt

 

Normenkette

UStG § 1 Abs. 1a; EWGRL 388/77 Art. 5 Abs. 8; GewO § 30

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.08.2012; Aktenzeichen XI R 10/12)

 

Tenor

1. Der Bescheid über die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2000 vom 24. Februar 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2008 wird mit der Maßgabe geändert, dass die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer um … DM gemindert wird und der Beklagte die danach festzusetzende Umsatzsteuer zu berechnen hat. Der Beklagte hat den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren war notwendig.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens als eine Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) anzusehen ist.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (künftig: GmbH). Im Kalenderjahr 2000 – dem Streitjahr – hatte ihr Unternehmen das Betreiben von Privatkliniken in den Bereichen Dermatologie, Dermatochirurgie, Venenchirurgie, Lasermedizin, plastische und ästhetische Chirurgie und Antiaging sowie das Vermieten von medizinischen Geräten und die Weiterbildung von Ärzten zum Gegenstand. Ihre Firma lautete: … GmbH. Ihr Stammkapital betrug 50.000 Euro.

Am 19. Juli 2000 schloss die Klägerin – als beherrschte Gesellschaft – mit einer … GmbH (künftig: G-GmbH) – als herrschende Gesellschaft – einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab. Am 2. Februar 2006 wurde in das Handelsregister eingetragen, dass die Klägerin – als übernehmender Rechtsträger – im Wege der Aufnahme mit der G-GmbH verschmolzen ist.

Das Unternehmen der G-GmbH hatte die Errichtung und Erhaltung sowie Führung von Kliniken, Sanatorien und Tageskliniken, insbesondere zur Behandlung von Gefäßerkrankungen sowie zur Durchführung von Laseroperationen zum Gegenstand. Ihre Gesellschafter im Streitjahr waren V und der Arzt Dr. H.… (künftig: H). Von dem damaligen Stammkapital von insgesamt 250.000 DM gehörten ihnen jeweils Anteile in Höhe von 125.000 DM. V und H waren auch die – einzigen – Geschäftsführer. Am 19. Juli 2000 änderte die G-GmbH ihre Firma. Seither lautet diese „…GmbH”.

Die G-GmbH hatte ihren Geschäftsbetreib in gemieteten Räumen auf dem Grundstück Z-Straße 1 in Y ausgeübt. Mieter waren neben der G-GmbH auch V und H. Die G-GmbH und V hatten – im Einvernehmen mit H und offenbar jeweils nur in eigenem Namen – das Mietverhältnis zum 30. September 2001 gekündigt.

Mit am 28. Februar 2000 notariell beurkundetem Vertrag veräußerten

  • die G-GmbH – zum Buchwert – an H „ihren gesamten Bestand an technischen Anlagen und Maschinen, anderen Anlagen und Betriebs- und Geschäftsausstattung, wie diese aus der (der notariellen Urkunde beigefügten) Anlage hervorgehen” und
  • H an V – zu einem Kaufpreis von 1 DM – seine Geschäftsanteile an der G-GmbH.

Außerdem vereinbarten die G-GmbH und V einerseits und H andererseits, dass „sämtliche Rechte und Pflichten aus … (dem vorstehend erwähnten) Mietverhältnis … auf … (H) übergehen und von diesem im Innenverhältnis übernommen werden”. Ferner sollte H die G-GmbH und V „von sämtlichen Ansprüchen des Vermieters” freistellen. Im Gegenzug verpflichteten sich die G-GmbH und V, „den Vermieter zu einer entsprechenden Vertragsänderung zu bewegen”.

Ferner waren sich die Beteiligten „darüber einig, dass die Konzession zum Betrieb der … Klinik (§ 30 GewO) auf den K...

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