Anders kann es liegen, wenn beide Parteien bei Vertragsschluss vom Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Umstände ausgehen und den Vertrag nicht oder jedenfalls mit anderem Inhalt geschlossen hätten, hätten sie gewusst, dass ihre Annahmen enttäuscht werden würden. In einem solchen Fall werden die gemeinsamen Annahmen für den Vertragsschluss zur Geschäftsgrundlage. Deren nachträgliche schwer wiegende Veränderung rechtfertigt,

  • wo dies möglich ist und einer Partei das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, die Anpassung des Vertrages an die veränderten Verhältnisse oder
  • wo eine Anpassung nicht möglich oder einer Partei nicht zuzumuten ist, den Rücktritt (bei Dauerschuldverhältnissen die Kündigung) des benachteiligten Teiles.

Die früher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind mit der Schuldrechtsreform als § 313 BGB ( "Störung der Geschäftsgrundlage") kodifiziert worden.

 

Beispiel 13

Die Parteien haben die Errichtung einer Autowaschanlage auf einem an einer stark befahrenen Ausfallstraße gelegenen Grundstück des Bestellers vereinbart. Beide gehen davon aus, dass das dort statistisch ermittelte Verkehrsaufkommen die vorgesehene Dimensionierung der Anlage rechtfertigt. Noch vor Baubeginn wird die Straße – für beide Parteien überraschend – infolge eines Planungsfehlers und darauf beruhenden Gerichtsurteils – eingezogen.

Hier leidet der Vertrag als solcher an keinem Mangel. Beide Parteien gingen jedoch beim Abschluss davon aus, dass sich an der für den Betrieb der Anlage essentiellen Verkehrslage nichts ändern würde, beide wussten, dass der Vertrag in Kenntnis der Veränderungen nicht geschlossen worden wäre und beide wurden durch eben diese faktische Entwicklung in ihren Erwartungen enttäuscht. Den Auftraggeber hier am Bau der Anlage festzuhalten, wäre unangemessen; er kann vom Vertrag zurücktreten. (Hätte sich das Verkehrsaufkommen durch eine Umwidmung der Straße lediglich halbiert, käme eine Anpassung des Vertrages (kleinere Dimensionierung der Anlage) in Betracht.)

Auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage kann sich auch eine Partei berufen, die allein vom Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Umstände ausgegangen war, wenn die andere Partei dies erkennen konnte und wusste, dass der Vertrag nur unter diesen Annahmen geschlossen wurde.

 

Beispiel 14

Am Beispiel 11 ändert sich nichts, wenn allein der Besteller die statistischen Erhebungen vorgenommen hat und nur er seine Entscheidung von der Erwartung hat leiten lassen, der Status des Verkehrsweges werde auch bei der Errichtung der Anlage gegeben sein, wenn die andere Seite diese Überlegungen kannte und wusste, dass sie Basis der Entscheidung ihres Vertragspartners waren.

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