Leitsatz

1. Ob ein Anspruch auf Kindergeld besteht, ist für jeden Monat gesondert zu prüfen. Bei der Prüfung, ob ein behindertes Kind zum Selbstunterhalt imstande ist, ist ein nicht monatlich anfallender notwendiger behinderungsbedingter Mehrbedarf, der bei einer vorausschauenden Bedarfsplanung vorhersehbar ist, auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen und mit einer monatlichen Durchschnittsbelastung anzusetzen.

2. Zu den eigenen Mitteln eines behinderten Kindes gehört auch das Pflegegeld nach § 69b BSHG. Dieses ist in der tatsächlich ausgezahlten Höhe zu berücksichtigen.

3. Bei der Ermittlung, welche Aufwendungen zur Deckung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs notwendig sind, müssen eventuelle Hilfeleistungen der Eltern außer Betracht bleiben und dafür die Beträge angesetzt werden, die bei Inanspruchnahme fremder Dienstleister angefallen wären.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG , § 33 Abs. 2 EStG , § 69b BSHG

 

Sachverhalt

Der Kläger bezog für seine schwer behinderte Tochter D Kindergeld. D war auf einen Rollstuhl angewiesen, sie wohnte in einer Eigentumswohnung des Vaters und zahlte dafür Miete. Sie wurde von einem mobilen Pflegedienst betreut.

D bezog eine Erwerbsunfähigkeitsrente und Pflegegeld i.H.v. zusammen 100.787 DM. Als Aufwendungen machte sie neben einem Grundbedarf von 13.500 DM Pflegekosten (64.800 DM), pauschale Fahrtkosten (13.500 DM) sechs Fahrten zu Ärzten (2.700 DM), Kosten für eine Begleitperson zu Ärzten und im Urlaub (10.500 DM), Mehrkosten für behindertengerechtes Wohnen und weitere laufend anfallende Kosten geltend; damit überstiegen die Aufwendungen die Einnahmen.

Der Beklagte hob die Kindergeldfestsetzung ab 1.7.1999 mit der Begründung auf, D habe sich selbst unterhalten können. Das FG gab der Klage teilweise statt.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Der Kindergeldanspruch sei zwar grundsätzlich für jeden Monat zu ermitteln, nicht jeden Monat anfallende Aufwendungen seien jedoch auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen. Bei der Ermittlung der eigenen Einnahmen des Kindes seien nur Zahlungen der Sozialleistungsträger, nicht aber Ansprüche gegen diese zu berücksichtigen. Von den Sozialleistungsträgern übernommene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seien als Einnahmen anzusetzen.

Bei der Ermittlung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs dürften die Pflegeleistungen der Eltern nicht mindernd berücksichtigt werden. Die Fahrtkosten seien mit dem angemessenen Betrag, erhöhte Fahrtkosten zu Ärzten oder Kliniken nur bei Einzelnachweis zu berücksichtigen.

 

Hinweis

Die Entscheidung ergänzt das Urteil VIII R 83/02 (BFH-PR 2005, 70). Ging es dort um die Frage, wie Sonderzuwendungen, die nicht monatlich anfallen, auf den Zeitraum der Kindergeldberechtigung zu verteilen sind, so ging es hier um die Frage, wie diesem Zeitraum Aufwendungen zuzuordnen sind, die nicht jeden Monat anfallen. Würde man hier streng nach dem Monatsprinzip vorgehen, könnte dies dazu führen, dass in Monaten mit nicht regelmäßig anfallendem Mehrbedarf Kindergeld zu gewähren wäre, in den übrigen Monaten nicht. Das wäre keine sinnvolle Lösung. Der BFH hat deshalb auch für diese Aufwendungen wie für die Einnahmen entschieden: Gilt für diese ein normatives Zuflussprinzip, so gilt für jene ein normatives Abflussprinzip.

Hinsichtlich des Inhalts dieses Prinzips hat der BFH sinngemäß die Grundsätze herangezogen, die der BGH zum Unterhaltsrecht entwickelt hat und die – insbesondere zur Abgrenzung des Sonderbedarfs i.S.v. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB vom regelmäßigen Bedarf – darauf abstellen, ob bei einer vorausschauenden Bedarfsplanung unter Zugrundelegung einer monatlichen Durchschnittsbelastung ein Mehrbedarf aufgefangen werden kann (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 1.3.1994 – 13 UF 435-93, FamRZ 1994, 1281 mit Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung). Danach ist ein behindertes Kind bei einem nicht monatlich anfallenden Mehrbedarf zum Selbstunterhalt imstande, wenn es diesen Mehrbedarf durch Aufteilung auf einen angemessenen Zeitraum dadurch auffangen kann, dass es ihn nach einer durchschnittlichen monatlichen Belastung bestimmt.

In diesen Ausführungen liegt die Bedeutung des Urteils. Darüber hinaus enthält es Ausführungen zur Ermittlung der eigenen Mittel des Kindes (Zahlungen von Sozialleistungsträgern, von diesen abgeführte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) und zur Ermittlung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs bei häuslicher Pflegeleistung von Eltern und von Fahrten des behinderten Kindes mit dem Kfz der Eltern sowie zu Kosten für Begleitpersonen bei diesen Fahrten und während des Urlaubs.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.8.2004, VIII R 59/01

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