Leitsatz

1. Steht Art. 8 Abs. 1 und 2 der RL 90/434/EWG des Rats vom 23.7.1990 (ABlEG Nr. L 225, 1) der Steuerregelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach welcher bei Einbringung der Anteile an einer EU-Kapitalgesellschaft in eine andere EU-Kapitalgesellschaft dem Einbringenden nur dann die Fortführung der Buchwerte der eingebrachten Anteile ermöglicht wird, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft die eingebrachten Anteile ihrerseits mit den Buchwerten angesetzt hat (sog. doppelte Buchwertverknüpfung)?

2. Falls dies zu verneinen sein sollte: Widerspricht die vorstehende Regelungslage Art. 43 EG und Art. 56 EG, obwohl die sog. doppelte Buchwertverknüpfung auch bei der Einbringung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft in eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft verlangt wird?

 

Normenkette

Art. 43, Art. 56 EG, Art. 3, Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 11 Abs. 1 Buchst. a EWGRL 90/434, § 20 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 4 Satz 1, § 23 Abs. 4 Satz 1, § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine inländische AG, war im Streitjahr 2000 – neben einer Schweizer AG – an einer inländischen GmbH (C-GmbH) beteiligt; sie hielt 89,5 % der Anteile. Am 28.4.2000 wurde diese Beteiligung der Klägerin gegen Gewährung neuer Aktien im Weg der Kapitalerhöhung in eine französische société anonyme, die C-S.A., eingebracht.

Die erworbenen Aktien, deren Börsenkurs in der Folgezeit stark absank, mussten aufgrund börsenaufsichtsrechtlicher Verpflichtungen binnen fünf Jahren veräußert werden, davon zum 24.5.2000 25 % und danach jährlich 15 %.

Da die Anteile der C-GmbH von der C-S.A. in der Handels- und Steuerbilanz nicht mit dem Buchwert der Anteile, sondern mit deren im Einbringungsvertrag angesetzten Verkehrswert angesetzt wurden, verweigerte das FA unter Hinweis auf § 23 Abs. 4 Satz 1 und § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 1995 und das dazu ergangene BMF-Schreiben vom 25.3.1998 (BStBl I 1998, 268, dort Tz. 23.10) der Klägerin die Fortführung der Buchwerte, sah den Einbringungsvorgang als steuerpflichtig an und besteuerte dementsprechend einen Einbringungsgewinn in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den ursprünglichen Anschaffungskosten und dem Verkehrswert.

Die Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide war erfolgreich (EFG 2005, 994), ...

 

Entscheidung

..., wobei das FG meinte, im Sinn der Klägerin unmittelbar durcherkennen zu können. Der BFH war vorsichtiger und überantwortete die Antwort nach der europarechtlichen Beurteilung dem EuGH.

 

Hinweis

1. Eine weitere (und in der Fachwelt eigentlich wohl auch erwartete) Vorlage an den EuGH, nämlich jene nach dem Erfordernis der sog. doppelten Buchwettverknüpfung gem. § 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 1995, wenn grenzüberschreitende Zusammenhänge innerhalb der EU betroffen sind.

2. Das Besondere an dieser Vorlage ist der Umstand, dass das besagte Erfordernis der doppelten Buchwertverknüpfung In- wie Ausländer gleichermaßen traf und dass insofern kein Diskriminierungstatbestand zu gewärtigen ist.

Dennoch könnte eine europarechtlich "inkonsistente" Beschränkung der Grundfreiheiten vorliegen, u.a. deshalb, weil im Ausland Veräußerungsgewinne oftmals nicht besteuert würden (so in Belgien, den Niederlanden sowie in Luxemburg und Österreich, aber auch in Deutschland, vgl. § 8b Abs. 2 KStG). In einigen EU-Mitgliedstaaten sei ein besonderer Bilanzansatz für die Ermittlung eines Veräußerungsgewinns überdies unbekannt.

Auch die EG-Fusions-RL schaffe in diesem Punkt keine abschließende Klarheit; sie sei mehrdeutig formuliert und könnte überdies ihrerseits gegen EG-Primärrecht verstoßen.

3. Es fragt sich also insbesondere, ob die abweichende Gesetzeslage im ausländischen Mitgliedstaat auf das Inland durchschlägt. Diese Frage ist nicht zuletzt deswegen spannend, weil mit ihrer Beantwortung zugleich das Rechtsschicksal des Ergebnisabführungsvertrags besiegelt sein könnte. Denn auch dort entscheidet das ausländische Zivilrecht darüber, ob eine grenzüberschreitende Organschaft denkbar ist.

4. Geht man von der EG-Rechtswidrigkeit der doppelten Buchwertverknüpfung aus, stellt sich zudem "in verschärfter Form" das Problem der sog. umgekehrten Inländerdiskriminierung. Denn dann würden Inländer einer belastenderen Rechtslage ausgesetzt als Ausländer.

Das erscheint kaum tragfähig, wurde vom BFH bislang jedoch – im Beschluss vom 15.7.2005, I R 21/04 – als verfassungskonform hingenommen. Siehe dazu die Praxis-Hinweise in BFH-PR 2005, 417.

5. Bezogen auf die doppelte Buchwertverknüpfung ist das alles ohnehin pure Rechtsgeschichte: Der Gesetzgeber hat sich dieses Erfordernisses durch das SEStEG im letzten Jahr ersatzlos (und wohl nicht zuletzt wegen der europarechtlichen Einwendungen) entledigt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 7.3.2007, I R 25/05

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