Sachverhalte zu Rückrufaktionen von Herstellern sind mannigfaltig denkbar. Rechtsgrundlage des Rückrufs kann das ProdSG sein.[16] Darüber hinaus ist im Rahmen der deliktischen Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB anerkannt, dass nach Inverkehrbringen des Produkts eine Produktbeobachtungspflicht des Herstellers als Unterfall der Verkehrssicherungspflichten besteht, die auch zu der Notwendigkeit eines Rückrufs führen kann.[17] Ob und in welchem Umfang den Händler, der die Produkte eines Herstellers vertreibt, ebenfalls eine Produktbeobachtungspflicht nach Verkauf des Pkw trifft, ist umstritten.[18] In der Regel kommt es aber aufgrund von bei Herstellern bekannt gewordenen Fehlern zu einem Rückruf; die entsprechenden Risiken, die zu einem Rückruf führen können, werden den Herstellern üblicherweise zuerst bekannt.

Das Bestehen einer Produktbeobachtungspflicht führt nicht automatisch zu einer Pflicht zum Rückruf des Produkts. Oftmals kann auch die bloße Warnung ausreichen, um der deliktischen Verkehrssicherungspflicht nachzukommen.[19] Ob sich deliktsrechtlich eine darüber hinausgehende Pflicht zur Nachbesserung des Wagens auf Kosten des Händlers/Herstellers im Rahmen einer Rückrufaktion dogmatisch begründen lässt, ist umstritten.[20] Ein Rückruf in Form der Nachbesserung, bei der der Hersteller zivilrechtlich verpflichtet ist, die Kosten zu tragen, stellt jedenfalls den Ausnahmefall dar.[21]

Im Kraftfahrzeugbereich sind die Kfz-Hersteller bei Bestehen eines erheblichen Risikos für die Verkehrssicherheit, die Gesundheit oder die Umwelt verpflichtet, Abhilfe zu schaffen, sonst droht der Entzug der Typenzulassung durch die Zulassungsstelle (Kraftfahrtbundesamt); die Pflicht zur Nachbesserung trifft den Hersteller (den Inhaber der Typengenehmigung) daher mittelbar über die Gefahr des Entzugs der Typenzulassung.[22]

Ist der Händler oder Hersteller nach den obigen Kriterien rechtlich nicht verpflichtet, eine Reparatur auf seine Kosten im Rahmen einer Rückrufaktion durchzuführen und wird diese dennoch vorgenommen, ist wie folgt zu unterscheiden:

  • Gesetzliche Gewährleistung: Liegt zugleich ein Mangel nach § 434 BGB innerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsfrist (§ 438 BGB) vor, der schon bei Gefahrübergang (§§ 446, 447 BGB) bestanden hat und behebt der Verkäufer diesen Mangel, liegt ein Fall der gesetzlichen Gewährleistung (s. oben unter II.1.) vor.
  • Kulanz: Liegt kein Mangel vor bzw. ist dieser erst nach Gefahrübergang aufgetreten oder ist die Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen, stellt die kostenlose Reparatur eine Kulanzleistung dar (s. dazu nachfolgend unter II.4.).[23]
[16] Vgl. Klindt/Schucht in Klindt, ProdSG, 3. Aufl. 2021, § 2 Rz. 175 ff.
[17] Vgl. Katzenmeier in Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl. 2021, § 823 Rz. 320; Bachmeier in Bachmeier, Rechtshandbuch Autokauf, 2. Aufl. 2013, Kap. 5 Rz. 1838.
[18] Vgl. Lange/Hansen in jurisPK/BGB, § 823 Abs. 1 Rz. 156 m.w.N. (Stand: August 2023).
[19] Vgl. Klindt/Schucht in Klindt, ProdSG, 3. Aufl. 2021, § 2 Rz. 179 ff.
[20] Vgl. Katzenmeier in Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl. 2021, § 823 Rz. 320.
[21] Vgl. Förster in BeckOK/BGB, § 823 Rz. 749.
[22] Vgl. Bachmeier in Bachmeier, Rechtshandbuch Autokauf, 2. Aufl. 2013, Kap. 5 Rz. 1841; Wagner/Karagkouni, EuZW 2019, 108, 112.
[23] Vgl. Klindt/Schucht in Klindt, ProdSG, 3. Aufl. 2021, § 2 Rz. 180.

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