Leitsatz

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Auslegung der 6. EG-RL vorgelegt:

1. Verbietet Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL einem Mitgliedstaat, die Veranstaltung eines Kartenspiels bereits dann der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, wenn die Veranstaltung eines Kartenspiels durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei ist, oder muss zusätzlich feststehen, dass die außerhalb der Spielbanken veranstalteten Kartenspiele in wesentlichen Punkten, wie z.B. bei den Spielregeln, beim Höchsteinsatz und Höchstgewinn, mit den Kartenspielen in den Spielbanken vergleichbar sind?

2. Kann sich der Veranstalter auf die Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL berufen?

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG , § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG , Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL , Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Kläger betrieb von 1987 bis 1991 ein gewerberechtlich genehmigtes "Spielcasino". Er veranstaltete zunächst überwiegend Roulette, später auch Kartenspiele. Sowohl beim Roulettespiel als auch beim Kartenspiel hielt er sich nicht an die Genehmigung.

Das FA ließ das Roulettespiel steuerfrei, weil es sich insoweit an das EuGH-Urteil (Karlheinz Fischer) gebunden sah. Das ist schon deswegen einigermaßen überaschend, weil die Finanzverwaltung sich sonst mit der Bindung recht schwer tut und die vom BFH umgesetzte Rechtsprechung des EuGH z.T. nicht veröffentlicht, wo sie der Verwaltung nachteilig erscheint. Die illegal veranstalteten Kartenspiele behandelte das FA jedoch als steuerpflichtig.

Das FG meinte, es gebe keine Gründe, die vom EuGH im Fall Karlheinz Fischer aufgestellten Grundsätze nur auf das Roulettespiel zu beschränken. Hiergegen richtet sich die Revision des FA.

 

Entscheidung

Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die im Leitsatz wiedergegebenen Fragen vor.

 

Hinweis

Steuerfrei sind nach § 4 Abs. 1 Nr. 9. Buchst. b UStG die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, sowie die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind. Grund für die nationale Steuerbefreiung ist die Vermeidung einer Doppelbesteuerung: Die zugelassenen öffentlichen Spielbanken unterliegen einer Spielbankabgabe (mit i.d.R. 80 % der Bruttoerträge) und sind deshalb von den laufenden Steuern, die aufgrund von Bundesgesetzen erhoben werden (Umsatzsteuer, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Lotteriesteuer), befreit.

Nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL sind "Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden", von der Umsatzsteuer befreit. Hierzu hatte der EuGH im Urteil vom 11.6.1998, RS. C-283/95, Karlheinz Fischer (Slg. 1998, I?3369) – über das Ziel hinausschießend – entschieden, diese Vorschrift sei dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels nicht der Mehrwertsteuer unterwerfen darf, wenn die Veranstaltung eines solchen Glücksspiels durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei sei.

Es erscheint fraglich, wie weit dieses Verbot geht und inwieweit der Veranstalter eines Glücksspiels sich darauf berufen kann. In dem Urteil ist der EuGH nämlich davon ausgegangen, dass Karlheinz Fischer von der ihm erteilten Spielerlaubnis derart abwich, dass das von ihm veranstaltete Spiel dem Roulettespiel gleichkam, wie es in ordnungsgemäß zugelassenen öffentlichen Spielbanken betrieben wird.

Es fragt sich aber, ob es für die Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL bereits ausreicht, dass Kartenspiele sowohl in öffentlichen Spielbanken als auch außerhalb der Spielbanken veranstaltet werden, oder ob – was wenig praktikabel sein dürfte – zusätzlich feststehen muss, dass die außerhalb der Spielbanken veranstalteten Kartenspiele in wesentlichen Punkten, wie z.B. bei den Spielregeln, beim Höchsteinsatz und Höchstgewinn, mit den Kartenspielen in den Spielbanken vergleichbar sind.

Zweifelhaft ist vor allem, ob sich der Steuerpflichtige auf diese Richtlinie berufen kann: Nach ständiger Rechtsprechung kann sich der Einzelne nur auf solche Vorschriften der 6. EG-RL berufen, die hinreichend klar und genau und nicht an Bedingungen geknüpft sind. Ob Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL diese Voraussetzung erfüllt, ist zweifelhaft, nachdem der EuGH erst auf den – in seiner Reichweite nicht eindeutigen – Neutralitätsgrundsatz zurückgreifen musste, um in zwei Entscheidungen die Vorschrift auszulegen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 6.11.2002, V R 50/01

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge