Leitsatz

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g und h i.V.m. Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass Dienstleistungen, die eine Einrichtung des öffentlichen Rechts oder eine von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung als Vermittler zwischen Personen, die einen Kinderbetreuungsdienst suchen, und Personen, die einen solchen Dienst anbieten, erbringt, nur dann nach diesen Bestimmungen von der Mehrwertsteuer befreit werden können, wenn

  • der Kinderbetreuungsdienst selbst die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach diesen Bestimmungen erfüllt;
  • dieser Dienst von einer solchen Art oder Qualität ist, dass für die Eltern ein gleichwertiger Dienst ohne Mitwirken eines Vermittlungsdiensts, wie er Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, nicht gewährleistet ist;
  • diese Vermittlungsdienste nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sind, ihrem Erbringer zusätzliche Einkünfte durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit mehrwertsteuerpflichtigen gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.
 

Normenkette

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g und h und Abs. 26 der 6. EG-RL (§ 4 Nr. 15, Nr. 18, Nr. 23 und Nr. 24 UStG)

 

Sachverhalt

Die Stiftung, eine gemeinnützige Einrichtung ohne Gewinnerzielungszweck, betreute an verschiedenen Orten nicht schulpflichtige Kinder und Schulkinder außerhalb der Schulstunden. Sie führte ferner eine Kartei von – bei Bedarf auf ihre Kosten ausgebildeten und von ihr geprüften – Tageseltern; die Stiftung stellte für Eltern den Kontakt mit Tageseltern her, die in ihrer Kartei verzeichnet sind und weitestmöglich ihren Wünschen entsprechen, vermittelte den Abschluss des Vertrags zwischen Eltern und Tageseltern (5 NLG pro Kind und Stunde) und half bei dessen Abwicklung. Sie selbst erhielt für die Vermittlungsleistungen 3,45 NLG je Kind und Stunde. Sie berief sich auf die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g, h und i der 6. EG-RL für diese Leistungen.

 

Entscheidung

Der EuGH entschied wie im Leitsatz wiedergegeben. Einen deutlichen Hinweis zur Beurteilung enthält Rd.Nr. 27: Keine unerlässliche Dienstleistung wäre das Führen und zur Verfügungstellen einer Liste aller Personen, von denen bekannt ist, dass sie Kinder betreuen. Anders, wenn die Tageseltern unter Qualitätsaspekten "vorsortiert" wurden. Die in den Praxis-Hinweisen erläuterten Grundsätze gelten auch für die Auslegung des UStG.

 

Hinweis

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g bis i und 2 der 6. EG-RL befreien:

(g) die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, und (h) die eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, wenn die Leistungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen erbracht werden. Ausgeschlossen ist die Befreiung für Tätigkeiten, die zur Ausübung der befreiten Tätigkeiten nicht unerlässlich sind und die zur Beschaffung zusätzlicher Einnahmen dienen durch Tätigkeiten, mit denen die Einrichtung in unmittelbarem Wettbewerb gewerblichen Unternehmers steht.

1. Kinderbetreuung durch Tageseltern kann als eine Dienstleistung der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit wie auch der Kinder- und Jugendbetreuung i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g und h der 6. EG-RL betrachtet werden (Rd.Nr. 17).

2. Voraussetzung für die Beurteilung "eng verbundener Dienstleistungen" ist, zunächst, dass die Dienstleistungen, mit denen sie eng verbunden sind (Haupttätigkeit), selbst alle notwendigen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllen. Das bedeutet, dass die Haupttätigkeit, selbst eine befreite Tätigkeit sein muss. Wird die Haupttätigkeit nicht von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht, muss es sich um eine "von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" handeln. Der Mitgliedstaat bzw. dessen Behörden verfügen in Bezug auf die Anerkennung über ein Ermessen, das sie entsprechend dem Gemeinschaftsrecht ausüben müssen. Gemeinnützigkeit ist jedenfalls nach Art. 13 Teil A Buchst. g und h der 6. EG-RL keine Bedingung (Rd.Nr. 23). Die Feststellung, ob die Dienstleistungen die aufgestellten Voraussetzungen für die Steuerbefreiung insbesondere im Hinblick auf den "sozialen Charakter" erfüllen, ist Sache der nationalen Gerichte.

3. Zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL hatte der EuGH bereits entschieden, dass "sehr nützlich", aber "nicht unverzichtbar", nicht reicht für die Annahme einer "eng verbundenen" Leistung. Der EuGH hält sich auch hier mit einer Definition zurück (vgl. Rd.Nr. 25), sagt aber, dass nur die für die jeweils befreite Hauptleistung (im Streitfall Kinderbetreuung) unerlässlichen Leistungen als eng verbundene Leistungen angesehen werden dürfen. Ob das der Fall ist, ob etwa ein gleichwertiger Dienst ohne diese Tätigk...

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