Leitsatz

Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "nachträgliches Bekanntwerden" im Rahmen des § 11 Abs. 4 EigZulG kann nicht auf die Rechtsprechung zu § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden, denn § 11 Abs. 4 EigZulG ist eine eigenständige, erweiterte Korrekturnorm. Das Merkmal des "nachträglichen Bekanntwerdens" ist dabei nicht auf Tatsachen oder Beweismittel beschränkt, die im Zeitpunkt der Schlusszeichnung des Eingabewertbogens bereits vorhanden, jedoch noch nicht bekannt waren. Es umfasst vielmehr sämtliche Umstände, die, zu welchem Zeitpunkt sie auch eintreten oder wirksam werden, die Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte für das Erstjahr oder das Vorjahr i. S. von § 5 EigZulG beeinflussen.

 

Sachverhalt

Die Klägerin wird zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Ehegatten betrug im Jahr 2001 140.371 EUR (Bescheid vom 14.5.2003) und im Jahr 2002 188.227 EUR (Bescheid vom 16.4.2004).

Die Klägerin erwarb im Oktober 1998 eine Eigentumswohnung in B, für die das Finanzamt antragsgemäß eine Eigenheimzulage ab 1998 bis zum Jahre 2005 gewährte. Im Jahr 2001 erwarb die Steuerpflichtige ein Einfamilienhaus in E, das sie seit dem 16.9.2001 mit ihrer Familie bewohnte. Am 8.6.2002 beantrage sie eine Eigenheimzulage für das Folgeobjekt E ab dem Jahr 2002. Zur voraussichtlichen Summe des Gesamtbetrags der Einkünfte für 2002 und 2001 machte sie im Antragsformular keine Angaben.

Am 18.6.2002 hob das Finanzamt den Eigenheimzulagebescheid für das Objekt in B ab 2002 auf. Es setzte zudem mit Bescheid vom 26.6.2002 Eigenheimzulage ab 2002 für das Folgeobjekt in E bis zum Jahre 2005 fest. Diesen Bescheid hob das Finanzamt am 23.4.2004 nach § 11 Abs. 4 EigZulG auf und forderte die für die Jahre 2002 bis 2004 bereits ausgezahlte Zulage mit der Begründung zurück, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte des Antragsjahres zuzüglich des Vorjahres die maßgebliche Einkunftsgrenze des § 5 EigZulG überstiegen habe.

 

Entscheidung

Das FG hat entschieden, dass das Finanzamt den Eigenheimzulagebescheid vom 26.6.2002 zu Recht rückwirkend aufgehoben hat. Es ist einhellige Meinung, dass beim Übergang zur Förderung für ein Folgeobjekt die Einkommensgrenze erneut zu prüfen ist. Zudem sind auch die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 EigZulG erfüllt.

Es handelt sich bei dieser Vorschrift um eine eigenständige, erweiterte Korrekturnorm, die dem Umstand Rechnung trägt, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte im Zulageverfahren eigenständig zu ermitteln ist und die Eigenheimzulage im Interesse des Anspruchsberechtigten bereits festgesetzt werden darf, auch wenn die genaue Höhe der Einkünfte noch nicht feststeht. Das Merkmal des "nachträglichen Bekanntwerdens" i. S. des § 11 Abs. 4 EigZulG ist daher nicht wie bei § 173 AO auszulegen. Es umfasst vielmehr sämtliche Umstände (Tatsachen, Ausübung steuerlicher Wahlrechte etc.), die die Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte für das Erst- und Vorjahr beeinflussen. Eine rückwirkende Aufhebung oder Änderung entfällt nur dort, wo das Finanzamt Rechtsfehler zu korrigieren hat, ohne dass sich der der Einkünfteprüfung zu Grunde zu legende Sachverhalt geändert hat.

Eine Einschränkung der Änderungsbefugnis nach § 11 Abs. 4 EigZulG setzt dementsprechend voraus, dass bereits zum Zeitpunkt der Schlusszeichnung sämtliche, für eine zutreffende Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte relevanten Umstände bekannt sind. Denn nur wenn der objektiv richtige Gesamtbetrag der Einkünfte bereits endgültig feststeht, scheidet ein "nachträgliches Erkennen" aus.

Hiervon ausgehend hat das Finanzamt erst nachträglich Kenntnis von der Summe der Gesamtbeträge der Einkünfte der beiden maßgeblichen Jahre 2001 und 2002 erhalten. Dies gilt schon deshalb, weil es den Festsetzungsbescheid am 26.6.2002 und somit zu einem Zeitpunkt erließ, an dem der Gesamtbetrag der Einkünfte des Jahres 2002 überhaupt noch nicht feststehen konnte. Da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin in 2001 die geltende Grenze für zusammenveranlagte Ehegatten nicht bereits allein überschritt, konnte das Finanzamt vor Ablauf des Kalenderjahrs 2002 - schon aus diesem Grunde - keine positive Kenntnis davon haben, ob die maßgebliche Einkunftsgrenze des § 5 EigZulG einer Förderung des Folgeobjekts entgegensteht. Im Übrigen wäre die Klägerin, die im Jahre 2001 keine positiven Einkünfte und im Jahr 2002 lediglich Einkünfte in Höhe von ca. 40.000 EUR erzielte, durchaus auch für das Folgeobjekt anspruchsberechtigt gewesen, wenn die Steuerpflichtigen in 2002 die getrennte Veranlagung gewählt hätten. Damit war letztlich bis zu Abgabe der Einkommensteuererklärung 2002 (im Januar 2004) nicht positiv feststellbar, ob die nach § 5 EigZulG maßgebliche Einkommensgrenze über- oder unterschritten würde.

 

Hinweis

Etwas anderes könnte gelten, wenn die Klägerin ausdrücklich (im Antrag auf Eigenheimzulage) darauf hingewiesen hätte, dass sie den maßgebenden Grenzbetrag voraussichtlich übersteigen würde. Für einen solchen Fall hat das FG Düsseldorf im U...

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