Irrt sich der eine Erbschaft Ausschlagende bei Abgabe seiner Erklärung über die an seiner Stelle in die Erbfolge eintretende Person, ist dies nur ein Irrtum über eine mittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung aufgrund anderer rechtlicher Vorschriften. Ein solcher Motivirrtum berechtigt nicht zur Anfechtung der Ausschlagung gem. § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB.

BGH v. 22.3.2023 – IV ZB 12/22

BGB § 119, § 1924, § 1931, § 1953

Beraterhinweis Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Irrtum über die Person des nachrückenden Erben zur Anfechtung einer lenkenden Ausschlagung berechtigt, war in der obergerichtlichen Rspr. bislang äußerst umstritten. Die h.M. ging davon aus, dass lediglich ein unbeachtlicher Motivirrtum vorliegt, weil sich der Ausschlagende nicht über die unmittelbare Rechtsfolge, also den Verlust seiner Erbenstellung, irrt (so OLG Düsseldorf v. 8.1.1997 – 3 Wx 575/96, FamRZ 1997, 905; OLG Schleswig v. 11.5.2005 – 3 Wx 70/04, ZEV 2005, 526; OLG München v. 4.8.2009 – 31 Wx 60/09, NJW 2010, 687; OLG Hamm v. 31.5.2011 – 15 W 176/11, FGPrax 2011, 236; KG v. 11.7.2019 – 19 W 50/19, ZEV 2020, 152). Nach der im Vordringen befindlichen a.A. sollte es sich dagegen um einen beachtlichen Rechtsfolgenirrtum handeln, weil die Ausschlagung eine wesentlich andere als die beabsichtigte Wirkung erzeugt (so OLG Düsseldorf v. 23.12.2016 – 3 Wx 259/16, ZEV 2018, 85; OLG Düsseldorf v. 12.3.2019 – 3 Wx 166/17, FamRZ 2019, 1466; OLG Frankfurt v. 6.2.2021 – 21 W 167/20, FamRZ 2021, 1751; OLG Brandenburg v. 27.7.2022 – 3 W 59/22, ZEV 2022, 716).

Der BGH hat sich nun der h.M. angeschlossen. Wer als nachrückender Erbe berufen ist, sei nicht in § 1953 BGB geregelt. Dementsprechend sei ein Irrtum über die nachrückende Person kein Irrtum über eine unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung. Dass der Ausschlagende den Anfall der Erbschaft an eine bestimmte Person als primäres Ziel seiner Ausschlagung ansieht, ändere hieran nichts, denn eine mittelbare Rechtsfolge werde nicht dadurch zu einer unmittelbaren, dass sie der Hauptgrund für die Ausschlagung war. Auch im Interesse der Rechtssicherheit sei eine Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten erforderlich, um möglichst schnell Klarheit über die Erbfolge herzustellen.

Vor dem Hintergrund der bislang eher anfechtungsfreundlichen Rspr. ist diese Entscheidung durchaus überraschend. Soll künftig eine lenkende Ausschlagung erfolgen, ist mangels Anfechtungsmöglichkeit deshalb noch sorgfältiger zu prüfen, wer anstelle des Ausschlagenden als Erbe nachrückt (§ 1953 Abs. 2 BGB). Häufig wird übersehen, dass bei einer Ausschlagung durch die Kinder des Erblassers nicht nur der überlebende Ehegatte allein, sondern auch die Verwandten zweiter Ordnung als gesetzliche Erben berufen sind (§§ 1925, 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB).

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