Ein Treaty Override kann sowohl in einer materiellen Regelung, einer unilateralen Subject-to-tax-Klausel[1], einer unilateralen Switch-over-Klausel[2] als auch in zusätzlichen formalen Anforderungen und Nachweiserfordernissen[3] bestehen. Das Treaty-Override kann ausdrücklich in der gesetzlichen Regelung benannt werden oder sich aus dem Inhalt der Regelung implizit ergeben. Ein Treaty Override ist regelmäßig für den Stpfl. nachteilig, weil dadurch gerade unerwünschte steuerliche Folgen verhindert werden sollen. Begrifflich ist dies aber nicht notwendigerweise der Fall.

Ein Treaty Override stellt einen Verstoß gegen das DBA und damit gegen einen völkerrechtlichen Vertrag dar. Da sich der Stpfl. allerdings nicht unmittelbar auf das DBA stützen kann, kann dieser Verstoß von ihm nicht ohne Weiteres gerügt werden, auch wenn das Treaty Override für ihn nachteilig ist. Grundsätzlich ist darin nach der neuesten Rspr. des BVerfG kein ungerechtfertigter Eingriff in die Grundrechte des Stpfl. zu sehen.[4] Umstritten ist unabhängig davon, welche Voraussetzungen an eine Regelung zu stellen sind, damit ein wirksamer Treaty Override vorliegt. Die Rspr. verlangt, dass eine entsprechende Regelung ausdrücklich getroffen wird.[5] Im Gesetz wird ein Treaty Override häufig durch Formulierungen wie "ungeachtet des Abkommens" oder "diese Regelung wird durch die Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung nicht berührt" kenntlich gemacht. In der Praxis enthalten aber nicht alle Regelungen, die wie ein Treaty Override wirken, eine entsprechende Formulierung. Das Treaty-Override kann sich auch nur aus der inhaltlichen Regelung der jeweiligen Norm ergeben (sog. verdecktes Treaty-Override).

Da ein DBA durch die Umsetzung ins nationale Steuerrecht nach deutschem Recht den Rang eines einfachen Gesetzes erhält, wird ein Treaty Override ganz überwiegend als zulässig angesehen.[6] Nach der höchstrichterlichen Rspr. des BVerfG liegt darin kein Verstoß gegen die Verfassung; insbesondere stellt dies keinen ungerechtfertigten Eingriff in die Grundrechte des Stpfl. dar.[7] Das BVerfG stellt zunächst klar, dass DBA durch die Transformation in innerstaatliches Recht den Rang eines einfachen Gesetzes haben; es handelt sich nicht um allgemeine Regelungen des Völkerrechts, die gem. Art. 25 GG Vorrang vor einfachem Recht haben. Auch aus § 2 AO ergibt sich nichts anderes. Der Gesetzgeber kann nach den allgemeinen Regelungen jede nationale Rechtsnorm aufheben oder verändern. Dies ergibt sich aus dem Demokratieprinzip und dem Prinzip der Gewaltenteilung (der Gesetzgeber kann das DBA nicht als mildere Maßnahme kündigen; dies ist nur durch die Exekutive möglich). Zu beachten sind allerdings die allg. Grenzen wie der Lex-specialis-Grundsatz und der Lex-posterior-Grundsatz. Dabei geht der Lex specialis-Grundsatz dem Lex posterior-Grundsatz vor.[8] Auch der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG ändert daran nichts. Dies ist nur eine Auslegungshilfe, aber kein absolutes Gebot. Der BFH hat ein Treaty Override im Vorlagebeschluss als Eingriff in die Grundrechte, insbesondere in das Gleichheitsgebot gem. Art. 3 GG angesehen. Eine Rechtfertigung dafür war im vorliegenden Fall zweifelhaft; jedenfalls soll das Verhältnismäßigkeitsgebot nach Auffassung des BFH nicht eingehalten worden sein. Dies hat das BVerfG abgelehnt, da eine mildere Regelung z. B. durch Kündigung des DBA nicht dem Gesetzgeber, sondern der Exekutive zusteht.

In der Literatur[9] wird zudem diskutiert, ob ein Treaty-Override ein Verstoß gegen die europäischen Grundfreiheiten darstellen kann. M.E. ist diese Frage anhand der allg. Grundsätze zu beurteilen, da der Treaty-Override durch eine nationale gesetzliche Regelung erfolgt. Die Treaty-Override-Regelung ist wie jedes nationale Gesetz an den europäischen Grundfreiheiten zu messen. Allerdings kann im Rahmen der Rechtfertigung eines Eingriffs in die Grundfreiheiten dem Argument kein Gewicht zukommen, dass eine von beiden Staaten gefundene Aufteilung von Besteuerungsbefugnissen gewahrt wird. Diese wird ja gerade durch das Treaty-Override durchbrochen.

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern (z. B. USA, Niederlande, Spanien, Frankreich, Belgien) ist ein Treaty Override nach nationalem Recht zulässig. Auch das sog. Multilaterale Instrument ("MLI"), das die Ergebnisse der OECD-BEPS Diskussion durch einen mehrseitigen völkerrechtlichen Vertrag umsetzt, kann in einigen Ländern ein Treaty-Override sein, wenn dadurch unmittelbar die Regelungen des bestehenden DBA geändert werden. In Deutschland muss die im MLI getroffene Regelung noch durch Gesetz in das nationale Recht übernommen werden. Daher kann das MLI selbst kein Treaty-Override darstellen; erst das jeweilige Gesetz ändert die entsprechende Regelung im DBA und stellt damit das Treaty-Override dar. 

Besteht ein wirksames Treaty Override, ist für den Stpfl. die nationale Regelung entscheidend; unbeachtlich sind insoweit die Regelungen des DBA. Der andere Vertragsstaat des DBA ka...

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