Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des Kindergeldberechtigten gem. § 64 EStG bei zwei Berechtigten und streitigem Aufenthalt des Kindes

 

Leitsatz (amtlich)

Das Familiengericht ist nicht zur Bestimmung des Kindergeldberechtigten zuständig, wenn das Kind sich im Haushalt eines Berechtigten (hier: Kindesmutter oder Großvater) ständig aufgehalten hat und die tatsächliche Obhut zwischen den Berechtigten streitig ist.

 

Normenkette

RPflG § 10; FamFG § 6 Abs. 2; ZPO § 42 Abs. 2; FamFG §§ 231, 62 Abs. 1; FamFG i.V.m. § 63 Abs. 1 S. Nr. 1; EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Nordhausen (Beschluss vom 07.01.2011; Aktenzeichen 1 F 481/10)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 9698 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) ist statthaft und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, §§ 6 Abs. 1, Abs. 2 FamFG, 46 Abs. 2, 567, 569 ZPO.

In der Sache hat es jedoch keinen Erfolg.

Ein Rechtspfleger (§ 10 RPflG) kann in Familiensachen gem. § 6 FamFG, § 42 Abs. 2 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein objektiver Grund vorliegt, der die ablehnende Partei bei vernünftiger Betrachtung befürchten lassen muss, der Rechtspfleger stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber und werde deshalb nicht unparteiisch entscheiden. Maßgebend ist nicht, ob der abgelehnte Rechtspfleger wirklich befangen ist oder sich für befangen hält, sondern allein, ob vom Standpunkt des Ablehnenden genügende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der betreffende Rechtspfleger behandele die Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch (BVerfG BVerfGE 82, 30/38; BGH, NJW-RR 1986, 738; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rz. 9, m.w.N.).

Eine Rechtsauffassung des Rechtspflegers oder eine Maßnahme der Verfahrensleitung stellen für sich keinen Ablehnungsgrund dar. Dies gilt auch für sachlich fehlerhafte Entscheidungen oder für eine Partei ungünstige Rechtsaufassungen bzw. Verfahrensverstöße im Rahmen der Prozessleitung. Ebenso begründen (richterliche) Initiativen im Zusammenhang mit einer umfassenden Erörterung des Rechtsstreits wie sachlich gerechtfertigte Anregungen, Hinweise, Belehrungen, Empfehlungen, Ratschläge oder sonstige Hilfestellungen an eine Partei für sich genommen die Ablehnung grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass das Vorgehen des Richters/Rechtspflegers auf einer unsachlichen Einstellung gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht (vgl. BGH NJW 1998, 612; Zöller/Vollkommer, aaO, Rz. 28; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 3.2.2010 - 9 WF 17/10, Quelle: www.juris.de).

Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze hat das Familiengericht dem Befangenheitsantrag der Beteiligten zu 1) vom 16.12.2010 zu Recht nicht stattgegeben. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe des Beschlusses des Familiengerichts vom 7.1.2011 sowie des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.2.2011 Bezug. Das Vorbringen der Beteiligten zu 1) in den Beschwerdebegründungen vom 26.1.2011 und 15.2.2011 rechtfertigt keine anderweitige Entscheidung.

Es kann insoweit dahinstehen, ob Rechts- oder Verfahrensverstöße objektiv vorliegen, da keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, aus denen sich ergibt, dass die Vorgehensweise der Rechtspflegerin auf unsachlichen Erwägungen bzw. einer Voreingenommenheit gegenüber der Beteiligten zu 1) beruht oder gar willkürlich ist.

Das AG hat mit Verfügung vom 29.9.2010 den Kindesvater und die Kindesmutter unter Beifügung einer Kopie des Antrages vom 29.9.2010, mit der der Großvater beantragt hat, ihn gem. § 64 EStG i.V.m. § 3 Bundeskindergeldgesetz zum Kindergeldberechtigten zu bestimmen, zur Stellungnahme bis zum 20.10.2010 aufgefordert.

Der Kindesvater hat mit Schreiben vom 4.10.2010 dem Antrag des Großvaters zugestimmt. Die Kindesmutter hat mit Anwaltsschreiben vom 20.10.2010 vorgetragen, M. habe zu ihrem Haushalt gehört und sie habe das Kindergeld regelmäßig bezogen. Eine Aufnahme in den Haushalt des Großvaters habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 8.11.2010 vorgetragen, im Scheidungstermin vom 28.11.2006 hätten die Kindeseltern zu Protokoll gegeben, dass M. schon seit längerer Zeit mit dem Einverständnis der Eltern bei den Großeltern väterlicherseits lebe. M. sei zwar noch von Dezember 2004 bis August 2005 bei der Kindesmutter gemeldet gewesen, zu diesem Zeitpunkt aber bereits von den Großeltern versorgt und betreut worden.

Das AG hat das Schreiben vom 8.11.2010 am 11.11.2010 an die Bevollmächtigte der Kindesmutter weitergeleitet.

Der volljährige M. K. hat am 15.11.2010 zu den Gerichtsakten erklärt, er lebe seit der Trennung seiner Eltern ab Dezember 2004 bei seinen Großeltern (Bl. 23d A). Aus der Bescheinigung einer Mitschülerin vom 14.11.2010 ergibt sich, dass M. seit Jahren bei seinen Großeltern in E. lebt (Bl. 24d ...

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