Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnsteuerhaftung. Kraftfahrzeugüberlassung an Arbeitnehmer. Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer und Solidaritätszuschlag für 1993 bis 1996

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Stellt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Kraftfahrzeuge zur Verfügung, deren Nutzung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte er ausdrücklich billigt, während eine weitergehende Privatnutzung weder schriftlich untersagt ist noch kontrolliert wird, so entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Arbeitnehmer die ihnen zur Verfügung stehenden Fahrzeuge auch nach Feierabend und am Wochenende für private Zwecke verwenden.

2. Kann der Arbeitgeber diesen Beweis des ersten Anscheins nicht durch substantiierte Einwände in Frage stellen, haftet er für insoweit nicht einbehaltene und abgeführte Steuerabzugsbeträge.

 

Normenkette

EStG 1990 § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2 S. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2; AO 1977 § 191 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Haftung wegen Nichteinbehaltung von Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für die Überlassung von Kraftfahrzeugen an Arbeitnehmer.

Die Klägerin ist eine eingetragene Genossenschaft. Sie stellte in den Streitjahren fünf Arbeitnehmern, darunter drei Abteilungsleitern, je ein Fahrzeug zur Verfügung; dabei handelte es sich um zwei PKW Lada Niva, zwei PKW Wartburg und einen PKW Nissan Terrano. Genauere schriftliche Vereinbarungen über die Nutzung der Fahrzeuge, namentlich den privaten Gebrauch, bestanden nicht; in den Arbeitsverträgen der Abteilungsleiter hieß es lediglich: „Die Genossenschaft stellt dem Abteilungsleiter einen Personenkraftwagen der unteren Mittelklasse zur dienstlichen Nutzung zur Verfügung. Der Abteilungsleiter ist verpflichtet, ein Fahrtenbuch zu führen”.

Die Klägerin versteuerte bei den genannten fünf Arbeitnehmern einen geldwerten Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Demgegenüber versteuerte sie bei drei Vorstandsmitgliedern, die ebenfalls Fahrzeuge der Klägerin fuhren, eine private Kraftfahrzeugnutzung nach der 1 v. H.-Methode.

Die nur teilweise geführten und noch vorhandenen Fahrtenbücher der fünf Arbeitnehmer enthalten keine getrennten Aufzeichnungen bezüglich dienstlicher und privater Fahrten, sondern nur Angaben über die tägliche oder wöchentliche Gesamtfahrleistung der Fahrzeuge (Aufstellung Blatt 25/26 der Gerichtsakte). Eine Überwachung der tatsächlichen Nutzung der Fahrzeuge durch die Klägerin fand nicht statt.

Anlässlich einer im September 1996 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum Oktober 1992 bis Juni 1996 ging der Beklagte davon aus, dass die genannten fünf Arbeitnehmer die Fahrzeuge auch außerhalb der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte privat genutzt hätten. Er schätzte den geldwerten Vorteil entsprechend der 1 v. H.-Methode und erließ, nachdem die Klägerin ihr Einverständnis mit der Haftungsinanspruchnahme erklärt hatte (Blatt 22 R der Arbeitgeberakte), am 6. November 1996 einen Haftungsbescheid wegen Nichteinbehaltung und Nichtabführung von Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag über einen Gesamtbetrag von 19.180,35 DM. Der Einspruch blieb erfolglos.

Die Klägerin macht mit der Klage geltend, dass eine über die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hinaus gehende Privatnutzung der betriebseigenen Kraftfahrzeuge nicht stattgefunden habe. Den Arbeitnehmern sei nur erlaubt gewesen, die Fahrzeuge für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu benutzen. Eine weitere Privatnutzung sei mündlich untersagt worden. Jeder der betroffenen Arbeitnehmer besitze ein Privatfahrzeug, welches ihm für die übrigen Privatfahrten zur Verfügung gestanden habe und auch genutzt worden sei. Dies sei jeweils durch die Arbeitnehmer in den Erklärungen vom 8. Juni 2000 bestätigt worden (Blatt 43 bis 46 der Gerichtsakte). Das mündliche Nutzungsverbot habe die Wirkung einer arbeitsvertraglichen Regelung. Die Fahrzeuge hätten den Arbeitnehmern während der Urlaubszeit nicht zur Verfügung gestanden und seien bei Bedarf von anderen Arbeitnehmern genutzt worden. Die Entfernungen zwischen den einzelnen Produktionsstätten sei sehr groß, und die Arbeitnehmer hätten diese mehrmals täglich aufsuchen müssen. Die Führung eines vollständigen Fahrtenbuchs im Sinne der Lohnsteuerrichtlinien sei deshalb nicht zumutbar gewesen. Eine nachprüfbare Kontrolle des Nutzungsverbots für Privatfahrten sei zwar nicht erfolgt, sei aber auch nicht erforderlich gewesen, da in einer ländlichen Umgebung, wo jeder jeden kenne, dem Vorstand der Klägerin eine Privatnutzung der Fahrzeuge bekannt geworden wäre. Die Arbeitnehmer hätten sich auch gegenseitig kontrolliert. Aus dem Umstand, dass die Arbeitnehmer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Fahrzeuge gehabt hätten, könne nicht notwendigerweise hergeleitet werden, dass sie die Kraftfahrzeuge entgegen dem Verbot der Klägerin auch tatsächlich genutzt ...

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