Ein Steueraufschub für grundsätzlich begünstigungsfähige Restrukturierungen setzt in aller Regel voraus, dass

  1. die gesetzliche Begünstigung nicht genutzt wird, um die Sofortversteuerung eines Veräußerungs- oder veräußerungsgleichen Vorgangs zu umgehen und
  2. das inländische Besteuerungsrecht an den im Inland gebildeten stillen Reserven des betreffenden Wirtschaftsgutes nicht beeinträchtigt wird.

Zur Sicherstellung des Regelungszwecks unter a) sieht das Gesetz regelmäßig mehrjährige Haltefristen vor, nach deren Ablauf der Steueraufschub, soweit das inländische Besteuerungsrecht seinerseits nicht endgültig beeinträchtigt wird (s. b)), für die begünstigte Umstrukturierung endgültig wird.

Erfolgt innerhalb dieser Haltefristen allerdings ein "schädliches Ereignis", so kann es zu einer teilweisen oder vollständigen Nachversteuerung auf den Zeitpunkt der ursprünglich begünstigten Transaktion kommen.

Brexit im Nachgang zu steuerbegünstigtem Einbringungsvorgang

So sieht § 22 UmwStG eine siebenjährige Haltefrist im Nachgang zu begünstigten Einbringungsvorgängen nach § 20 UmwStG oder Anteilstauschvorgängen nach § 21 UmwStG (sofern der Veräußerungsvorgang nicht nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigungsfähig gewesen wäre) vor, innerhalb derer der Eintritt eines der dort aufgezählten schädlichen Ereignisse zu einer zeitanteiligen Nachversteuerung der stillen Reserven auf den Zeitpunkt der ursprünglich begünstigten Einbringung führt.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG muss die übernehmende Gesellschaft während der gesamten siebenjährigen Haltefrist die persönlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG erfüllen. Dies erfordert wie oben beschrieben kumulativ, dass der übernehmende Rechtsträger nicht nur nach dem Recht eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates gegründet wurde, sondern auch in einem dieser Staaten seinen Sitz und Ort der Geschäftsleitung hat.

Diese Voraussetzung ist bei britischen Gesellschaften, die in den letzten sieben Jahren vor Wirksamwerden des Brexits bzw. vor Ablauf des Übergangszeitraums als übernehmender Rechtsträger an einer nach §§ 20 oder 21 UmwStG begünstigten Einbringung beteiligt waren, entfallen. Der Gesetzeswortlaut erfordert insoweit keine zusätzliche Disposition des Steuerpflichtigen. Aus diesem Grund stellt der durch das Brexit-StBG eingefügte § 22 Abs. 8 UmwStG nun klar, dass "allein der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU nicht dazu führt, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 nicht mehr erfüllt sind". Allerdings setzt dies voraus, dass der Umwandlungsbeschluss (in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge) bzw. der Einbringungsvertrag (bei Einzelrechtsnachfolge) vor dem Zeitpunkt des Brexits bzw. dem Ablauf des Übergangszeitraums erfolgte.

Auch wenn diese Frage nach aktuellem Stand aufgrund des anzunehmenden gleichzeitigen Austritts Großbritannien aus EU und EWR eher akademischer Art sein mag, ist darauf hinzuweisen, dass nur der Fall eines Austritts aus der EU, nicht aber aus dem EWR, geregelt wurde. Die Regelung ist – letztlich wie alle hier besprochenen Regelungen – so eng gefasst, dass sie auch den Austritt sonstiger EU- oder EWR-Mitgliedstaaten aus diesen Gemeinschaften nicht berücksichtigt. Von einer – durchaus überlegenswerten – Generalklausel dergestalt, dass eine reine Rechtsänderung ohne Disposition des Steuerpflichtigen generell nicht zu einer steuerlichen Gewinnrealisierung oder zu einem für den Steuerpflichtigen nachteiligen "schädlichen Ereignis" führen sollte, ist erst recht keine Rede. Dies entspricht der – rechtsstaatlich nicht unbedenklichen – Linie der Finanzverwaltung, nach der eine rein juristisch bewirkte steuerliche Statusverbesserung zu einem unmittelbar steuerauslösenden Ereignis, etwa im Falle des Abschlusses oder der Änderung eines DBA, führen kann (BMF vom 26.10.2018, BStBl I 2018, 1104); krit. dazu Kessler/Spychalski, IStR 2019, 193; a. A. auch bereits Herbst/Gebhardt, DStR 2016, 1705, 1707 f.; Letzgus, a. a. O.; Lüdicke, FR 2011, 1077, Schnitger, Entstrickung im Steuerrecht, a. a. O.).

Brexit im Nachgang zu Steuerstundung nach aktiven Entstrickungsvorgängen

Soweit nach einem Vorgang nach § 12 Abs. 1 KStG bzw. nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ein Ausgleichsposten gem. § 4 g Abs. 1 EStG mit steuerstundender Wirkung für bis zu fünf Jahre gebildet wurde, führt das Ausscheiden des als entnommen geltenden Wirtschaftsgutes nach § 4 g Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG zu einer nachholenden Sofortversteuerung der stillen Reserven im Wirtschaftsjahr des Ausscheidens.

Immerhin stellt § 4 g Abs. 6 EStG, der durch das Brexit-StBG angefügt wurde, klar, dass der Brexit allein nicht dazu führt, dass dieses Wirtschaftsgut als aus der Besteuerungshoheit der EU-Mitgliedstaaten ausgeschieden gilt. Allerdings ist auch der Anwendungsbereich dieser Regelung eng gefasst worden. Insbesondere wurde die Aufnahme der entsprechenden EWR-Konstellation nicht in den Gesetzestext übernommen. In jedem Fall sollte unter Berücksichtigung von § 1 Brexit-ÜG der Ablauf des Übergangszeitraums ebenso wie der Brexit selbst unter ...

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