Auswirkungen bei der Körperschaft

Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 KStG führt die Verlegung der Geschäftsleitung oder des Sitzes einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft dann zu einer fiktiven Liquidationsbesteuerung gem. § 11 KStG, wenn die Körperschaft dadurch aus der unbeschränkten Steuerpflicht in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat ausscheidet. Dabei sind nach Satz 2 der Vorschrift auch sog. "Tie-Breaker"-Regelungen anwendbarer DBA zur steuerlichen Ansässigkeit für DBA-Zwecke (wie aktuell noch Art. 4 Abs. 3 DBA-UK, nach dem im Zweifel primär auf die tatsächliche Geschäftsleitung abzustellen ist) zu berücksichtigen.

Verlegt daher beispielsweise eine Limited, die bislang in Deutschland geleitet wurde und deshalb nach Art. 4 Abs. 3 DBA-UK für DBA-Zwecke als in Deutschland steuerlich ansässig behandelt wurde, diesen Verwaltungssitz nach dem Brexit im Jahr 2021 nach Großbritannien, so führt dies zu einer fiktiven Auflösung für steuerliche Zwecke mit der Folge einer Liquidationsbesteuerung nach § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 i. V. m. § 11 KStG (s. a. Bron, BB 2019, 666, Schneider/Stoffels, Ubg 2019, 7; Zöller/Steffens, IStR 2019, 288).

Dies gilt unabhängig davon, dass Großbritannien möglicherweise gesellschaftsrechtlich eine aus Deutschland zuziehende GmbH anerkennen würde. Das deutsche internationale Privatrecht verweist insoweit in Art. 4 Abs. 1 EGBGB i. V. m. der deutschen gesellschaftsrechtlichen Sitztheorie auf das materielle britische Gesellschaftsrecht einschließlich des britischen internationalen Privatrechts. Bei Zugrundelegung der Gründungstheorie in Großbritannien entfällt eine Rückverweisung auf deutsches Recht (vgl. Hummel in Gosch, KStG, Rz. 60f zu § 1; für den Fall einer Verweisung auf eine Gesellschaft mit Verwaltungssitz in Brasilien s. a. OLG Oldenburg vom 13.06.2007, 4U 64/00, https://connect.juris.de/connect?docId=KORE213082008).

Die gleiche Folge (Liquidationsbesteuerung) ergäbe sich, wenn eine in Deutschland geleitete Gesellschaft den Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung nicht nach Großbritannien, sondern in einen anderen Drittstaat (z. B. Schweiz) verlegt (und zwar auch bereits vor dem Brexit), vgl. Zöller/Steffens, IStR 2019, 289; Jochum/Hemmelrath, IStR 2019, 517, 521.

Vor dem Brexit, d. h. innerhalb der EU und des EWR, war die identitätswahrende Verlegung des Verwaltungssitzes in den Noch-EU-Staat Großbritannien indes steuerunschädlich möglich. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und ist Ausfluss der Niederlassungsfreiheit (vgl. Lampert in Gosch, Rz. 141 zu § 12 KStG).

 
Praxis-Beispiel

Fallbeispiel 5

Die UK Limited mit Geschäftsleitung in Deutschland verlegte vor dem Brexit bzw. vor Ablauf des vereinbarten Übergangszeitraums ihre Geschäftsleitung nach Großbritannien.

Lösung

Unter dem Einfluss der europäischen Niederlassungsfreiheit kommt es weder gesellschaftsrechtlich noch steuerlich – da keine Änderung des Rechtstypenvergleichs – zu einer fiktiven Liquidation. Sofern bestimmte Wirtschaftsgüter vor der Migration der deutschen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zugeordnet waren (z. B. immaterielle Wirtschaftsgüter, die der zuvor im Inland belegenen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zugeordnet waren), kommt allerdings eine fiktive Gewinnrealisation gem. § 12 Abs. 1 KStG in Betracht. Für die darauf entfallende Körperschaftsteuer kann jedoch eine Streckung der Besteuerung durch Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4 g EStG beantragt werden.

Der anschließend, d. h. nach der bereits erfolgten Verlagerung der Geschäftsleitung, eintretende Brexit führte ungeachtet der gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen nicht für sich genommen zu einer vollen oder anteiligen Aufdeckung stiller Reserven, § 12 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 KStG i. d. F. nach Brexit-StBG. Ungeachtet der fehlenden ausdrücklichen Bezugnahme auf den Übergangszeitraum in § 12 Abs. 3 Satz 4 KStG i. d. F. nach Brexit-StBG sollte u. E. die Fiktion der während dieses Zeitraums fortbestehenden EU-Mitgliedschaft des VK gem. § 1 Brexit-ÜG dazu führen, dass auch der Ablauf dieses Übergangszeitraums für sich genommen keine steuerwirksame Aufdeckung inländischer stiller Reserven auslöst, wenn keine weitere Disposition des Steuerpflichtigen hinzutritt.

Eine erst nach dem Brexit – bzw. nach u. E. zutreffender Interpretation nach dem Ablauf des vereinbarten Übergangszeitraums – im Jahr 2021 stattfindender Geschäftsleitungswechsel nach Großbritannien würde jedoch nach dem Wortlaut von § 12 Abs. 3 Satz 2 KStG i. d. F. des Brexit-StBG i. V. m. der Tie-Breaker-Regelung des Art. 4 Abs. 3 DBA-UK die Rechtsfolgen des § 11 KStG (Liquidationsbesteuerung) auf Ebene der Gesellschaft auslösen. Die ausschließlich auf den Brexit als solches beschränkte Schutzwirkung des § 12 Abs. 3 Satz 4 KStG i. d. F. des Brexit-StBG greift in diesem Fall nicht mehr. Die Gesellschafterebene bleibt davon unberührt.

Für Verlagerungen ab 2022 sieht das KöMoG vom 25.06.2021 die Streichung von § 12 Abs. 3 KStG vor. Danach könnte eine nach dem Recht des VK gegründete Ltd, die ihren tatsächlic...

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