Leitsatz

Die nach § 4 Nr. 12 UStG 1999 steuerfreie langfristige Vermietung von Campingflächen erstreckt sich auch auf die Lieferung von Strom (Abweichung von Abschn. 78 Abs. 3 S. 7 i.V.m. Abschn. 76 Abs. 6 S. 1 UStR).

 

Normenkette

§ 4 Nr. 12 UStG 1999

 

Sachverhalt

Streitig war, ob bei der Vermietung von Stellplätzen an Dauercamper die Überlassung von Strom als unselbstständige Nebenleistung zur Vermietung steuerbefreit sei. Das verneinte das FA unter Hinweis auf die UStR. Das FG (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.07.2006, 6 K 2565/03, Haufe-Index 1874851, EFG 2008, 740) gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG, das die Überlassung der Standplätze als wesentliches Element der Leistungen der Klägerin an die Camper und die darüber hinaus erbrachten Leistungen als Nebenleistung beurteilte, weil nach heutigen Maßstäben eine Vermietung eines Campingplatzes ohne Stromanschluss nicht mehr möglich sei. Die Auffassung des RFH, auf dessen Urteil sich die UStR stützen, wonach unter die Steuerbefreiung für Verpachtungen und Vermietungen von Grundstücken nicht die Lieferung von elektrischem Strom falle, weil es sich dabei um die Lieferung beweglicher Sachen handle, ließ sich nicht mit den heute geltenden Kriterien für die Annahme einer einheitlichen Leistung und insbesondere den Voraussetzungen für die Annahme von Haupt- und Nebenleistung vereinbaren.

Die Zurückverweisung war erforderlich, weil das FG – zu Unrecht – auch die Umsätze aus der Benutzung einer Fernsprechanlage einbezogen hatte.

 

Hinweis

1. Die langfristige Vermietung von Grundstücken, die als Campingplätze genutzt werden, ist – eine zulässige Abweichung vom Gemeinschaftsrecht (ausführlich BFH, Urteil vom 13.02.2008, XI R 51/06, BFH/NV 2008, 1772, BFH/PR 2008, 470) – steuerfrei. Die Zurverfügungstellung von Strom für Dauercamper hatte die Verwaltung unter Berufung auf eine Entscheidung des RFH bisher als selbstständige Leistung beurteilt.

2. Die Grundsätze zur Beurteilung der Frage, ob eine einheitliche Leistung vorliegt oder nicht, sind – auch gemeinschaftsrechtlich – lange geklärt. Bei deren Anwendung auf den Einzelfall lässt sich darüber trefflich streiten. Letztlich von entscheidender Bedeutung ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers, ob eine Leistung im Vergleich zu der Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng – im Sinn einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und Ergänzung – zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt. Sie darf für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck haben, sondern sie muss das Mittel darstellen, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können.

Letzteres gibt grundsätzlich einen tragfähigen Anknüpfungspunkt für die Beurteilung: So ist z.B. der Transport vom Bahnhof zu einem Hotel für sich betrachtet eine Leistung, die eigenständig für sich stehen kann. Nimmt aber der Hotelgast den Fahrdienst des Hotelunternehmers in Anspruch, liegt die Beurteilung als zwei selbstständige Leistungen nicht nahe.

Die Benutzung einer Telefonanlage dagegen ist nach der Rechtsprechung des EuGH – mag sie auch den Aufenthalt in einem Krankenhaus für den Patienten erleichtern und üblich sein – nicht nur keine Nebenleistung zur Heilbehandlung in einem Krankenhaus, sondern auch kein damit eng verbundener Umsatz, der von der Befreiung umfasst werden könnte; die fehlende Sachnähe beider Leistungen und der Zweck der Befreiung bestätigen dieses Ergebnis.

So hat der BFH z.B. die Lieferung von Heizwärme und Wasser, die Überlassung von Waschmaschinen und die Reinigung von Gemeinschaftsflächen als unselbstständige (steuerfreie) Nebenleistung zur Wohnraumvermietung und die Zurverfügungstellung von Strom und Wasser als unselbstständige Nebenleistung zur steuerfreien Standplatzvermietung an Marktbeschicker angesehen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.01.2009 – V R 91/07

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