„Haftungsnorm” zur Verminderung von Steuerausfällen

[Ohne Titel]

Dr. Dario Arconada Valbuena, LL.M., RA/FASt / Dipl.-Finw. Thomas Rennar[*]

Ertragsteuerliche Abzugsverbote – wie z.B. § 3c Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 5 EStG – sind hinreichend bekannt und lassen sich in den Einzelsteuergesetzen ausfindig machen. Verfahrensrechtlich erweitert § 160 AO diese jedoch um ein weiteres Abzugsverbot von Schulden und anderen Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und anderen Ausgaben bei Nichtbenennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern. Welche steuerlichen Implikationen sich hieraus im Einzelfall ergeben und ob es sich nicht vielmehr um einen "zahnlos wirkenden Tiger" zu handeln vermag, betrachtet dieser Themenbeitrag unter Berücksichtigung praktischer Besonderheiten.

[*] Dr. Dario Arconada Valbuena ist als Steueranwalt und Strafverteidiger im gesamten Bundesgebiet tätig. Thomas Rennar verfügt über umfassende Berufserfahrung aus der Bundesfinanzverwaltung sowie aus Beratungs- und Konzernfunktionen an wichtigen Wirtschaftsstandorten.

I. Verfahrensrechtlicher Hintergrund

§ 160 Abs. 1 S. 1 AO...: Schulden und andere Lasten, Betriebsausgaben (BA), Werbungskosten (WK) und andere Ausgaben sind steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Gläubiger oder die Empfänger genau zu benennen (§ 160 Abs. 1 S. 1 AO).

... als eine Art "Haftungsnorm" zur Verminderung von Steuerausfällen: Mit dieser Vorschrift als einer Art "Haftungsnorm" sollen vor allem Steuerausfälle verhindert werden, die dadurch entstehen können, dass

  • bei dem Schuldner bzw. dem Zahlenden die Lasten bzw. Aufwendungen zu einer Steuerminderung führen,
  • während der Gläubiger bzw. Zahlungsempfänger unbekannt bleibt und die Besteuerungsgrundlagen sich daher bei ihm nicht steuererhöhend auswirken.[1]

Beraterhinweis Das Recht der Finanzbehörde, den Sachverhalt zu ermitteln, bleibt von dieser Regelung unberührt. Auch § 102 AO bleibt hierbei ebenfalls unberührt, wobei es sich um ein Auskunftsverweigerungsrecht zum Schutz bestimmter Berufsgeheimnisse handelt.

Ist ein Benennungsverlangen geboten? Bei der Anwendung des § 160 AO ist insoweit zunächst zu entscheiden, ob ein Benennungsverlangen geboten ist. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts (FA), ob es sich

  • den Gläubiger von Schulden oder
  • den Empfänger von Ausgaben

vom Steuerpflichtigen benennen lässt.[2]

§ 160 AO ist aber nicht anzuwenden, wenn

  • der Abzug einer Schuld oder Ausgabe bereits daran scheitert, dass deren Höhe oder ihr Zusammenhang mit der steuerlichen Sphäre nicht nachgewiesen ist[3] oder
  • wenn die Schulden oder Ausgaben aufgrund anderweitiger steuerlicher Vorschriften beim Steuerpflichtigen nicht steuermindernd zu berücksichtigen sind.

Gläubiger i.S.d. § 160 Abs. 1 S. 1 AO ist der wirtschaftliche Eigentümer der Forderung. Empfänger ist hingegen derjenige, dem der in den BA enthaltene wirtschaftliche Wert vom Steuerpflichtigen übertragen wurde und bei dem er sich demzufolge steuerlich auswirkt.[4] Damit ist derjenige gemeint, der die vom Steuerpflichtigen geleistete Zahlung aufgrund eigener Leistung verdient hat. Bei Zwischenschaltung einer Person, welche die vereinbarten Leistungen nicht selbst erbringt, ist der Empfänger nicht die zwischengeschaltete Person, sondern der hinter ihr stehende Dritte, an den die Gelder letztlich gelangt sind.[5]

"Genaue" Empfänger-/Gläubigerbezeichnung: Für eine genaue Bezeichnung des Empfängers ist nach dem Zweck des § 160 AO die Angabe des vollen Namens und der Adresse des Empfängers erforderlich, so dass die Finanzbehörde ihn ohne Schwierigkeiten feststellen kann.

Beraterhinweis Die Bezeichnung ist nicht "genau", wenn sich herausstellt, dass der Empfänger zwar existiert, dass aber der mitgeteilte Name fingiert – also falsch – ist.[6] Entsprechendes gilt für die Bezeichnung des Gläubigers.[7]

II. Zweistufige Ermessensprüfung bei Nichtbenennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern

(vgl. auch weitergehend AEAO zu § 160, Nr. 1.4 ff., m.w.N.)

1. Erste Ermessensentscheidung

Vermutete Nichtversteuerung zu Unrecht: Ein Benennungsverlangen ist insbesondere ermessensgerecht, wenn aufgrund der Lebenserfahrung und/oder der Umstände des Einzelfalls die Vermutung naheliegt, der Empfänger einer Zahlung bzw. der Gläubiger einer Forderung habe diese zu Unrecht nicht versteuert. Hiervon ist regelmäßig auszugehen:

  • bei Geschäften ohne Rechnung,
  • bei hohen Bargeldzahlungen,
  • bei Schmiergeldzahlungen,
  • bei illegaler Leiharbeit,
  • bei allgemein ungewöhnlichen Zahlungsmodalitäten und
  • bei Schwarzarbeit.

Fehlende Empfängerbezeichnung wegen Unkenntnis: Ein Benennungsverlangen darf auch dann gestellt werden, wenn der Steuerpflichtige den Empfänger nicht bezeichnen kann, weil ihm bei Auszahlung des Geldes des...

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