Eine Einordnung im Hinblick auf aktuelle BFH-Rechtsprechung

[Ohne Titel]

Dr. Matthias Gehm[*]

Der BFH hat mit Urteil v. 16.3.2022 entschieden, dass grundsätzlich Aufwendungen für (bürgerliche) Kleidung nicht als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abzugsfähig sind (BFH v. 16.3.2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614 = EStB 2022, 285 [Gehm]). Vielmehr sind diese als unverzichtbare Aufwendungen der Lebensführung nach § 12 Nr. 1 S. 2 EStG durch die steuerliche Freistellung des Existenzminimums abgegolten. Ausnahmsweise gilt etwas anderes, wenn es sich um typische Berufskleidung i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG handelt, welche nicht auch zu privaten Anlässen getragen werden kann bzw. eine solche Nutzung nahezu ausgeschlossen ist. Im folgenden Beitrag wird untersucht, welche Rückschlüsse aus dieser Entscheidung zu ziehen sind.

[*] Der Autor ist Lehrbeauftragter für Steuer- und Steuerstrafrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Er kann auf eine langjährige Tätigkeit als Jurist in der Finanzverwaltung zurückblicken.

I. Rechtsauffassung der Finanzverwaltung

In H 3.31 LStH weist die Finanzverwaltung lediglich auf zwei BFH-Entscheidungen hin, wonach

  • Aufwendungen einer Instrumentalsolistin für Abendkleider und schwarze Hosen nicht als Betriebsausgaben (BA) oder Werbungskosten (WK) geltend gemacht werden können[1];
  • selbiges gelte für den Lodenmantel eines Forstbediensteten, der diesen auf dienstliche Anweisung tragen und mit einem leicht abnehmbaren Dienstabzeichen versehen muss[2].

Beachten Sie: Dabei wird in den BFH-Entscheidungen darauf abgehoben, dass eine private Nutzungsmöglichkeit – auch nur bei gelegentlichen besonderen privaten Anlässen – objektiv

  • nicht ganz oder
  • jedenfalls nicht nahezu

ausgeschlossen werden kann.

Beraterhinweis Unterscheidet sich die Kleidung nicht von derjenigen, die andere Steuerpflichtige, die den entsprechenden Beruf nicht ausüben, gewöhnlicherweise auch tragen, scheidet wegen Vorliegens bürgerlicher Kleidung ein WK-/BA-Abzug aus, denn eine Privatnutzung ist nicht nahezu ausgeschlossen.

In R 9.1 Abs. 2 LStR wird ausgeführt,

  • dass Aufwendungen für Kleidung grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 12 Nr. 1 EStG – Aufwendungen für die Lebensführung – fallen[3].
  • Anders ist dies nur bei Aufwendungen für typische Berufskleidung, die in voller Höhe abziehbar seien.

Ausführungen in der Verwaltungsanweisung zu Mischaufwendungen: Fraglich erscheinen in diesem Zusammenhang aber die weiteren Ausführungen der benannten Verwaltungsanweisung zu Mischaufwendungen. Eine teilweise Geltendmachung als beruflicher/betrieblicher Aufwand wird m.E. daran scheitern, dass keine Abgrenzbarkeit

  • der beruflichen/betrieblichen Sphäre
  • von der privaten Sphäre

besteht, denn es wird immer auch das private Grundbedürfnis gedeckt, sich zu kleiden, welches wiederum § 12 Nr. 1 EStG zuzuordnen ist[4]. Zudem scheitert ja die steuerliche Geltendmachung nach der von der Finanzverwaltung in Bezug genommenen zuvor zitierten BFH-Rechtsprechung auch dann, wenn eine private Nutzung nicht ganz oder nahezu ausgeschlossen werden kann.

Typische Berufskleidung: Somit kann sich die Verwaltungsanweisung hinsichtlich der Behandlung von Mischaufwendungen in R 9.1 Abs. 2 S. 2f. LStR nur darauf beziehen, wenn typische Berufskleidung vorliegt, dass deren Charakter nicht verloren geht, wenn sie in geringem Umfang auch privat genutzt wird – also zu weniger als 10 % nach Zeitanteilen privat getragen wird[5].

 

Beispiel

Feuerwehrmann A hat sich aus privaten Mitteln besonders brandsichere Schuhe angeschafft, die es ihm erlauben – ohne eine eigene Verletzung oder Beschädigung der Schuhsohlen davonzutragen –, auch durch Brände hocherhitzte Flächen zu betreten. Wenn er vom Dienst kommt, erledigt er regelmäßig auf dem Nachhauseweg seine Einkäufe im Supermarkt – dabei trägt er diese Schuhe. Insgesamt macht dies – betrachtet nach Zeitanteilen – rund 5 % der Gesamtnutzung der Schuhe aus.

Lösung: Da es sich hier um Arbeitsschutzkleidung (s.u.) – und somit um typische Berufskleidung handelt, ist es unschädlich, dass A diese Schuhe in geringem Umfang auch privat nutzt.

Außergewöhnlich hohe Aufwendungen für die Anschaffung: Auch außergewöhnlich hohe Aufwendungen für die Anschaffung von bürgerlicher Kleidung sind nach Rechtsauffassung der Finanzverwaltung nicht als WK/BA abziehbar. Beachten Sie: Dies gilt selbst dann, wenn die Kleidungsstücke zum Teil oder nahezu ausschließlich bei der Berufsausübung gebraucht werden[6].

Ansparleistungen: Des Weiteren sind Ansparleistungen, um sich typische Berufskleidung anschaffen zu können, selbst noch keine WK/BA[7].

Überlassung von Dienstkleidung: Von der Einkommensteuer ist nach § 3 Nr. 4 EStG bzw. § 3 Nr. 31 EStG unter gewissen Voraussetzungen die Überlassung von Dienstkleidung befreit[8]. In diesem Zusammenhang weist die Finanzverwaltung in R 3.31 Abs. 1 S. 3f. LStR darauf hin, dass zur typischen Berufskleidung

  • Arbeitsschutzkleidung gehört, die auf die jeweilige Berufsausübung zugeschnitten ist, oder
  • wenn die Kleidung von uniformartiger Beschaffenheit ist...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge