Grundlagen, neuer Regelungsgehalt und wesentliche Konsequenzen

[Ohne Titel]

Dipl.-Kfm. Dr. Michael Knittel, RA/FAStR, StB, WP[*]

Die in Zusammenhang mit Cum/Ex-Transaktionen stehenden Leerverkäufe bezweckten eine mehrfache Erstattung von lediglich einmal abgeführter Kapitalertragsteuer (KapESt). Die Illegalität einer solchen Vorgehensweise, insb. auch in steuerstrafrechtlicher Hinsicht, ist zwischenzeitlich nicht nur Gegenstand zahlreicher staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren sondern auch durch den BGH abschließend festgestellt worden. Explizit für dieses Modell hat der Gesetzgeber dessen steuerrechtliche Unzulässigkeit gesetzlich dadurch festgehalten, dass seit dem Jahr 2012 Mehrfacherstattungen von nur einmal abgeführter KapESt abwicklungstechnisch nicht mehr möglich sein sollen. Dagegen ist Ausgangspunkt von Cum/Cum-Transaktionen die Absicht, die beschränkte Steuerpflicht eines ausländischen Aktieninhabers in Zusammenhang mit Dividendenzahlungen inländischer Aktiengesellschaften durch eine vorübergehende Übertragung der Anteile auf eine unbeschränkt steuerpflichtige Person zu umgehen. Diese Form des sog. Dividendenstrippings ist per se zwar nicht illegal, allerdings ist in diesem Zusammenhang grundsätzlich insoweit zu prüfen, ob Cum/Cum-Transaktionen im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 AO) sowie des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 Abs. 2 AO) steuerlich anzuerkennen sind. Das BMF hat dazu am 9.7.2021 mit zwei BMF-Schreiben zur "Steuerlichen Behandlung von Cum/Cum-Transaktionen" und zur "Wirtschaftlichen Zurechnung bei Wertpapiergeschäften" seine geänderte zukünftiger Handhabung derartiger Transaktionen dargestellt.

[*] Dipl-Kfm. Dr. Michael Knittel ist Rechtsanwalt/FAStR, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Wirtschaftsprüfer und in eigner Praxis in Speyer tätig, vgl. www.kanzleiknittel.de

I. Einleitung

Cum/Cum-Transaktionen als die "kleinen Schwestern" der Cum/Ex-Transaktionen stehen zwar nicht vergleichbar im Fokus der steuerrechtlichen Öffentlichkeit, haben jedoch gleichwohl in der steuerliche Praxis einen weit verbreiteten Anwendungsbereich. Bei Cum/Cum-Transaktionen werden deutsche Aktien ausländischer Anteilseigner vor dem Dividendenstichtag an inländische Gesellschaften, zumeist Banken oder sonstige Finanzdienstleister, verliehen bzw. verkauft und nach dem Dividendenstichtag mit dem Ziel zurückübertragen, die gesetzlich vorgesehene pauschale Versteuerung von Dividendenerträgen ausländischer Bezieher zu umgehen.

Die Bezeichnung "Cum/Cum" folgt aus dem Umstand dass die Aktien sowohl mit Dividendenanspruch (schuldrechtlich) veräußert als auch (sachenrechtlich) übertragen werden. Der inländische Erwerber erlangt damit das zivilrechtliche Eigentum an den regelmäßig sammelverwahrten Papieren (vgl. § 5 DepotG) zu einem Zeitpunkt, zu dem – im Gegensatz zum Cum/Ex-Transaktionen – der die zu zahlende Dividende verkörpernde Kupon noch nicht getrennt ist (vgl. LG Bonn v. 18.3.2020 – 62 KLs – 213 Js 41/19 – 1/19, BeckRS 2020, 13169 Rz. 370 ff.).

Neufassung des BMF-Schreibens: Das BMF hat mit seiner Neufassung des Schreibens vom 17.7.2017 – im Folgenden "BMF-Schreiben (neu)" – umfangreich zur zukünftig beabsichtigten Behandlung von sog. Cum/Cum-Transaktionen durch die Finanzverwaltung Stellung genommen. Es kann davon ausgegangen werden, dass wesentlicher Anlass für die nunmehrige Aktualisierung des BMF-Schreiben v. 17.7.2017 – im Folgenden "BMF-Schreiben (alt)" – nicht in erster Linie der Gewinn wesentlicher neuer steuerrechtlicher Erkenntnisse seitens der Finanzverwaltung gewesen ist. Vielmehr hat neben der nachhaltigen Kritik aus Politik (vgl. Kleine Anfrage der Fraktionen DIE LINKE. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Eindämmung von Cum/Cum-Geschäften und weiteren Gestaltungen zur künstlichen Generierung eines Steuervorteils, BT-Drucks..18/11345) und Wissenschaft (vgl. statt aller: Spengel, Steuerrechtliche Behandlung von Cum/Cum-Geschäften, DB 2020, 1919) auch die jüngere erstinstanzliche Finanzrechtsprechung (vgl. nachfolgend Abschnitt III.3.b), FG Hess. v. 28.1.2020 – 4 K 890/17, WM 2020, 1587) die wesentliche Grundlage für die zukünftige modifizierte Behandlung von Cum/Cum-Transaktionen durch die Finanzverwaltung bereitet. Vor diesem Hintergrund hat das BMF das aus 2017 stammende BMF-Schreiben (alt) zumindest punktuell überarbeitet.

Im Mittelpunkt des BMF-Schreibens (neu) stehen die geänderten Ausführungen zu den materiell-rechtlichen Grundsätzen für eine Beurteilung von Cum/Cum-Transaktionen nach der AO. Diese Ausführungen sind unter besonderen Berücksichtigung der jüngsten Finanzrechtsprechung einer weitgehenden Überarbeitung unterzogen worden. Davon betroffen ist in erster Linie die veränderten Sicht der Finanzverwaltung bezüglich des Erfordernisses der eingehenden Überprüfung des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums zwischen den Beteiligten an den Wertpapieren.

Zweck der nachfolgenden Ausführungen soll ausgehend von den steuerrechtlichen Grundlagen sowie...

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