FinMin Berlin, 10.11.2023, III B - S 2241 - 3/2010 - 6

 

Der Steuerberaterkammer Berlin bekanntgegeben

Scheidet ein Gesellschafter aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft aus, wächst der Gesellschaftsanteil des austretenden Gesellschafters dem verbleibenden Gesellschafter an (bis 31.12.2023: § 738 BGB, ab 01.01.2024: § 712 BGB). In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die steuerbilanziellen Buchwerte fortgeführt werden können oder ob die Anwachsung die Aufdeckung der stillen Reserven zur Folge hat. Im Gegensatz zum Handelsrecht fehlen ausdrückliche gesetzliche Regelungen für die ertragsteuerliche Behandlung der Anwachsung.

Bei der ertragsteuerlichen Beurteilung der Anwachsung sind zwei Fallgruppen voneinander zu unterscheiden:

Fallgruppe 1:

Der austretende Gesellschafter ist am Vermögen einer zweigliedrigen Personengesellschaft kapitalmäßig nicht beteiligt.

§ 6 Abs. 3 EStG ist nicht anwendbar. Diese Vorschrift setzt einen Übertragungsvorgang voraus. Hieran fehlt es, weil der austretende Gesellschafter am Vermögen der Gesellschaft nicht beteiligt ist. Steuerlich gesehen sind dem verbleibenden Gesellschafter die seiner Beteiligung entsprechenden Wirtschaftsgüter schon vor der Anwachsung zuzurechnen, so dass sie ihm durch die Anwachsung nicht mehr übertragen werden können. Die Buchwerte sind daher nicht nach § 6 Abs. 3 EStG, sondern mangels eines Anschaffungsvorgangs fortzuführen.

Fallgruppe 2:

Der austretende Gesellschafter ist kapitalmäßig am Vermögen einer zweigliedrigen Personengesellschaft beteiligt.

Die Anwachsung ist steuerlich – entsprechend dem jeweils zugrundeliegenden Rechtsgrund der Übertragung – entweder als entgeltliche oder als unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils zu behandeln.

Bei einer entgeltlichen Übertragung liegt in der Regel eine Anteilsveräußerung i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG vor.

Bei einer unentgeltlichen Übertragung handelt es sich um einen Fall des § 6 Abs. 3 EStG. Der Erwerber, der verbleibende Gesellschafter, führt die Buchwerte fort; der Vorgang ist erfolgsneutral.

Der BFH hat in seinem Urteil vom 10.03.1998 (BStBl 1999 II S. 269) im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters, der auch kapitalmäßig an der Personengesellschaft beteiligt war, entsprechend entschieden.

Handelt es sich bei dem verbleibenden Gesellschafter aber um eine Kapitalgesellschaft, an der der ohne Entschädigung austretende Gesellschafter kapitalmäßig beteiligt ist, stellt das abfindungslose Ausscheiden eine verdeckte Einlage in die Kapitalgesellschaft dar, die nach den Grundsätzen der Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe zur Gewinnrealisierung führt. In diesem Fall ist § 6 Abs. 3 EStG nicht anwendbar (Rn. 2 des BMF-Schreibens vom 20.11.2019, BStBl 2019 I S. 1291).

 

Normenkette

EStG § 15

EStG § 6 Abs. 3

EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2

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