Das Steuergeheimnis verhindert wegen § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO nicht, dass Daten und Informationen eines Ausgangs-Ermittlungsverfahrens in ein weiteres neues Verfahren überführt werden. Beim Anlegen der neuen Ermittlungsakte sind die strafrechtlich oder steuerrechtlich zur Subsumtion des Strafvorwurfes der Steuerhinterziehung direkt oder indirekt notwendigen Daten, Informationen und Tatsachen als Kopie zu übertragen, auch wenn diese höchstpersönlicher Natur sind; es muss aber ein adäquat kausaler Subsumtionszusammenhang mit den anzuwendenden Steuervorschriften bestehen. Dieser Grundsatz gilt gleichermaßen bei der Mittäterschaft, der mittelbaren Täterschaft sowie der Teilnahme.

Die Ermittlungsakte eines Beschuldigten kann innerhalb der Organisation der Strafverfolgungsbehörden wegen § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO weitergeleitet werden. Die Weiterleitung der Ermittlungsakten ist aber auch dann möglich, wenn im Zusammenhang eines Ermittlungskomplexes bei Täterschaft oder Teilnahme die Akten einzelner oder aller Beteiligten zu dem jeweils anderen Verfahren beigezogen werden müssen.

Wird ein Durchsuchungsbeschluss beantragt, hat der Ermittlungsrichter das vollumfängliche Recht, die Akten vollständig und ungeschwärzt zur Kenntnis nehmen zu können. Dies gilt auch dann, wenn er in Ermittlungskomplexen bei Täterschaft oder Teilnahme die jeweils anderen Akten einsehen will. Den Strafverfolgungsbehörden steht kein Recht auf Vorauswahl zu, es darf kein Wissensgefälle zwischen Strafverfolgungsbehörde und Ermittlungsrichter entstehen. Wurde die Ermittlungsakte im Vorfeld manipuliert, hat der Ermittlungsrichter nach §§ 202, 219 Abs. 1, 221, 214 Abs. 4 StPO das Recht, den ursprünglichen, vollständigen Zustand wieder herstellen zu lassen.

Bei Durchsuchungsbeschlüssen müssen die Begründungen so ausgefertigt sein, dass der Adressat der Durchsuchung in die Lage versetzt wird, allein aufgrund der im Durchsuchungsbeschluss enthaltenen Informationen, Daten und beschriebenen Tatsachen sich gegen den Grundrechtseingriff in seine Wohnung zur Wehr zu setzen. Dies gilt gleichermaßen für die Beschlüsse beim Beschuldigten und beim Zeugen. Auch hier sind die strafrechtlich und steuerrechtlich zur Subsumtion des Strafvorwurfes der Steuerhinterziehung direkt oder indirekt notwendigen Daten zur Begründung heranzuziehen.

Beim Zeugen ist allerdings durch den Ermittlungsrichter vorab nochmals einschränkend zu prüfen, ob die vom Steuergeheimnis geschützten Daten unerlässlich für die Verteidigungsmöglichkeit sind, oder ob der Grundrechtseingriff auch ohne die Erwähnung von bestimmten höchstpersönlichen Angaben des Beschuldigten verständlich wird. Diese Entscheidung ist allein durch den Ermittlungsrichter zu treffen, eine vorherige Auswahl an zu übermittelnden Angaben seitens der Strafermittler ist rechtlich nicht zulässig.

 

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Service: Tormöhlen, Aktuelle Rechtsprechung zum Steuerstrafrecht, AO-StB 2016, 12; abrufbar unter steuerberater-center.de

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