Weite Auslegung des Begriffs: Zur tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit i.S.d. § 3b Abs. 1 EStG zählt

  • nicht nur die eigentliche, arbeitsvertraglich geschuldete (Berufs-)Tätigkeit des Arbeitnehmers,
  • sondern auch jede vom Arbeitgeber zu den begünstigten Zeiten verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt.

Beraterhinweis Tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit ist daher jede zu den begünstigten Zeiten tatsächlich im Arbeitgeberinteresse ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers, für die er einen Anspruch auf Grundlohn hat – und damit z.B. auch das bloße Bereithalten einer tatsächlichen Arbeitsleistung i.S.d. § 3b EStG, wenn gerade dieses arbeitsvertraglich geschuldet ist[14].

[14] BFH v. 27.8.2002 – VI R 64/96, BStBl. II 2002, 883 = EStB 2002, 467 (Rothenberger).

a) Arbeitszeitrechtliche Einordnung ohne Bedeutung

Ohne Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit i.S.d. § 3b Abs. 1 EStG ist hingegen die arbeitszeitrechtliche Einordnung der Tätigkeit nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Das ArbZG soll nach § 1 Nr. 1 ArbZG in erster Linie der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer dienen. Die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit i.S.d. gesetzlichen Arbeitszeitschutzrechts schließt es folglich nicht aus, die zu diesen Zeiten vom Arbeitnehmer de facto erbrachten Arbeitsleistungen als tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit i.S.d. § 3b Abs. 1 EStG zu qualifizieren. Anderenfalls würde sich der durch das ArbZG bezweckte Schutz der Arbeitnehmer geradezu in sein Gegenteil verkehren.

b) Einzelaufstellungen erforderlich

Zudem erfordert die Steuerfreiheit der Zuschläge grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonn- und Feiertagen oder zur Nachtzeit. Dadurch soll von vornherein gewährleistet werden, dass ausschließlich Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeinen Gegenleistungen für die Arbeitsleistung darstellen.

Hieran fehlt es, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit lediglich allgemein abgegolten wird, da hierdurch weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich ist[15].

c) "Versprochene Dienste" i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB

Zu den "versprochenen Diensten" i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB zählt

  • nicht nur die eigentliche berufliche Tätigkeit der Arbeitnehmer,
  • sondern jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt.

Beachten Sie: Hierzu kann – nach der Gestaltung im Einzelfall – auch die in den Arbeitsverträgen geregelte Beteiligung an Reisen des Arbeitgebers, für die dieser auch das zu benutzende Verkehrsmittel bestimmt, gehören[16].

"Arbeit" als Leistung der versprochenen Dienste i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB ist nämlich jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient[17]. Folglich gehört auch die Fahrt (An- und Abreise) zu einer auswärtigen Arbeitsstelle zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten, wenn der Arbeitnehmer seine eigentliche Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu erbringen hat. Ob Fahrtantritt und -ende vom Betrieb des Arbeitgebers oder von der Wohnung des Arbeitnehmers aus erfolgen, ist insoweit unerheblich[18]. Derartige Reisen sind fremdnützig – und damit jedenfalls dann tatsächlich geleistete Arbeit –, wenn sie

  • ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgen und
  • in untrennbarem Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung stehen.

d) Vergütungspflicht von Reisezeiten

Unerheblich für die Vergütungspflicht von Reisezeiten ist deren arbeitszeitrechtliche Einordnung nach § 2 Abs. 1 S. 1 ArbZG. Denn die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit i.S.d. gesetzlichen Arbeitszeitschutzrechts führt nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht – wie umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss[19].

e) Zuschläge auf "passive" Tätigkeiten

Individuell belastende Tätigkeit unmaßgeblich: Dies gilt auch, soweit die Zuschläge auf etwaige "passive" Fahrzeiten entfallen. Unerheblich ist diesbezüglich weiter, ob sich die Reisezeiten für die Arbeitnehmer als individuell belastende Tätigkeit darstellen. Eine konkret individuell belastende Tätigkeit verlangt das Gesetz für die Steuerfreiheit von Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschlägen in § 3b EStG nämlich ausdrücklich n...

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