Leitsatz

1. Kontrollbesuche der Steuerfahndung in Räumlichkeiten, die an Prostituierte zur Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit vermietet worden sind, sind grundsätzlich – in angemessener und zumutbarer Häufigkeit – zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle i.S.d. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO hinreichend veranlasst. Der mögliche (Neben-)Effekt, die Prostituierten zu veranlassen, ihre steuerlichen Pflichten zu erfüllen bzw. am "Düsseldorfer Verfahren" teilzunehmen, ist mit dem Ermittlungsauftrag der Steuerfahndung nicht unvereinbar.

2. Der Vermieter kann sich gegenüber den Kontrollbesuchen nicht auf ein Abwehrrecht als Inhaber des Hausrechts an den vermieteten Räumen bzw. an den gemeinschaftlich zu nutzenden Bereichen berufen, da die Kontrollbesuche bei den Mieterinnen selbst nicht als "Eingriffe und Beschränkungen" i.S.d. Art. 13 Abs. 7 GG zu qualifizieren sind.

 

Normenkette

Art. 2, Art. 13, Art. 14, Art. 19 Abs. 4 GG, § 85, § 88, § 92, § 99 Abs. 1, § 155, § 200 Abs. 3 Satz 2, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, § 114 FGO

 

Sachverhalt

Die Steuerfahndung hatte gegen den Willen des Vermieters eines Bordells und trotz Aufforderung, die Räumlichkeiten zu verlassen, Besuche bei den dort berufstätigen Prostituierten durchgeführt, um diese nach Namen, Anschrift, Aufenthaltsdauer und Tätigkeitsumfang sowie deren Kunden nach ihrem Namen zu befragen.

Der Vermieter wollte, dass dies der Steuerfahndung im Weg einstweiliger Anordnung untersagt werde. Das FG erließ eine entsprechende Anordnung.

 

Entscheidung

Der BFH hat auf die vom FG zugelassene Beschwerde dessen Entscheidung aufgehoben und den Antrag mangels Anordnungsanspruchs abgelehnt.

 

Hinweis

Die Steuerfahndung ist zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle berechtigt, Grundstücke, (Geschäfts-)Räume etc. zu betreten, soweit dies erforderlich ist, um im Besteuerungsinteresse Feststellungen zu treffen. Die Kontrollbesuche der Steuerfahndung sind demnach grundsätzlich von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 208 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 99 Abs. 1 AO gedeckt. Diese Vorschriften genügen auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die beim Betreten fremder Räume gegen den Willen des Nutzers bzw. Bewohners bestehen.

Eine andere, schwierigere Frage ist, welche Anforderungen in diesem Zusammenhang an die Ermessenserwägungen der Steuerfahndung zu stellen sind. Muss diese sich nicht mit milderen Mitteln begnügen, etwa beim Vermieter um Auskunft ersuchen, die Polizei über ihre Erkenntnisse befragen etc.? Der BFH hat dies verneint und der Störung des Geschäftsbetriebs, der zweifellos von solchen Besuchen der Steuerfahndung ausgeht, offenbar keinerlei entscheidende Bedeutung beilegen wollen. Er verweist dazu darauf, dass durch die Besuche einfach und vor allem sicher und mitunter auch Erkenntnisse gewonnen werden können, die anders gar nicht zu erlangen wären. Das genügt ihm. Er stört sich auch nicht daran, dass die Besuche einen "Neben"-Effekt haben (sollen?), nämlich die Steuerpflichtigen zur Teilnahme an einem bestimmten, für das FA wünschenswerten Besteuerungsverfahren "zu bewegen".

An einem "Eingriff" oder einer "Beschränkung" i.S.d. Art. 13 Abs. 7 GG fehlt es auch gegenüber dem Vermieter als Inhaber des Hausrechts. Das gilt auch für das Durchschreiten der zu den an die Prostituierten vermieteten Räumen führenden Verkehrsflächen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 22.12.2006, VII B 121/06

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