Sachverhalt

Bei dem Verfahren ging es um einen Lehrer, der jahrelang als freier Mitarbeiter für das Land Berlin tätig war. Im Streitjahr 1990 erteilte er an einer Volkshochschule Schularbeitshilfe und leitete an einer anderen Volkshochschule und in einem Elternzentrum Keramik- und Töpferkurse. Die Verträge, aufgrund deren der Kläger die genannten Leistungen erbrachte, wurden mit dem Land Berlin jeweils mit halbjähriger Laufzeit abgeschlossen. Sie enthielten Klauseln, denen zufolge durch sie kein "Beschäftigungsverhältnis" im Sinne des deutschen Arbeitsrechts begründet werde. Die dem Kläger vom Land Berlin gezahlten Honorare wurden auf Stundenbasis errechnet. Der Kläger trug auch bei Ausfallen der Kurse das Honorarrisiko, selbst wenn der Grund im fehlenden Teilnehmerkreis lag. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr mit der Begründung fest, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nrn. 21 oder 22 UStG nicht erfülle.

Der BFH hatte in seinem Vorabentscheidungsersuchen die Auffassung geäußert, die vom Kläger erbrachten Dienstleistungen könnten nicht nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Artikel 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) steuerbefreit sein, weil eine natürliche Person nicht als "andere Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" anzusehen sei. Gleichwohl stelle sich die Frage, ob von einem Privatlehrer erteilter Unterricht nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Artikel 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL) nur dann befreit sei, wenn der Lehrer die Unterrichtsleistung unmittelbar den Schülern als Leistungsempfängern erbringe, von diesen also bezahlt werde, oder ob es ausreiche, dass die Leistung - wie im vorliegenden Fall - an eine Schule oder Hochschule erbracht werde. Der BFH hatte also unterstellt, dass der Kläger grundsätzlich unter Buchstabe j der Richtlinie falle und hatte insofern nur Zweifel angesichts der vertraglichen Bindungen, unter denen er seine Leistungen erbrachte.

 

Entscheidung

Diese Frage des BFH hat der EuGH nicht beantwortet, sondern er kommt zu dem Ergebnis, dass es schon fraglich sei, ob der Kläger, wie von Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-Richtlinie gefordert, als "Privatlehrer" agiert habe. Die Unterstellung des BFH, dass dem so sei, hat der EuGH schlicht ignoriert und vielmehr die Vorlagefrage des BFH dahingehend uminterpretiert, dass dieser habe erfahren wolle, ob Unterrichtstätigkeiten, die ein Einzelner unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens als freier Mitarbeiter ausübt, gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-Richtlinie steuerfrei sein können.

Der eigentlichen Befassung mit dem Rechtsstreit gehen zunächst die stereotypischen Wendungen des EuGH voraus, dass die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 der 6. EG-Richtlinie eng auszulegen sind. Die Vorschrift enthalte autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen. Allerdings müsse die Auslegung dieser Begriffe jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruhe. Daher bedeute die Regel einer engen Auslegung nicht, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen könne. Dies müsse auch für die spezifischen Bedingungen gelten, von denen die Gewährung dieser Befreiungen abhängig gemacht werde, und insbesondere für diejenigen, die die Eigenschaft oder die Identität des Wirtschaftsteilnehmers betreffen, der die von der Befreiungsvorschrift erfassten Leistungen erbringt.

Davon ausgehend widerspricht der EuGH zunächst dem Vorbringen des Finanzamts, die von dem Kläger erteilten Keramik- und Töpferkurse seien in Anbetracht der engen Auslegungspflicht von ihren Anforderungen her gesehen nicht dem Unterricht, der üblicherweise an Schulen oder Hochschulen erteilt werde, vergleichbar. Solche Kurse dienten vielmehr nur der Freizeitgestaltung. Der EuGH antwortet hierauf (und dies liegt auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung), dass die Begriffe "Schule" und "Hochschule" nicht mit nationalen Auslegungskriterien beschrieben werden können, sondern es sich um gemeinschaftsrechtliche Begriffe handele, die mit Mitteln des Gemeinschaftsrechts auszulegen sind.

Danach ist "Schul- und Hochschulunterricht" nicht auf Unterricht beschränkt, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern er schließt (auch) andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, wenn diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben. Der EuGH gibt dem BFH auf zu prüfen, ob der Klä...

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