A. Normzweck

 

Rz. 1

[Autor/Stand] Zweck der Regelung des § 27 ErbStG ist es, aus Billigkeitsgründen eine übermäßige Verminderung von Familienvermögen zu verhindern, wenn solches Vermögen mehrfach innerhalb kurzer Zeit auf Personen der Steuerklasse I übergeht. Ein Antrag auf Steuerermäßigung ist nicht nötig. Je geringer der zeitliche Abstand zwischen den Erwerben ist, umso schwerer wird die Belastung empfunden, so dass die Ermäßigung danach gestaffelt ist, von 50–10 %.

[Autor/Stand] Autor: Högl, Stand: 01.01.2021

B. Voraussetzungen der Steuerermäßigung

I. Begünstigte Personen

 

Rz. 2

[Autor/Stand] Begünstigt sind nur Sachverhalte, in denen sowohl der frühere Erwerb als auch der spätere Erwerb in die Steuerklasse I nach § 15 ErbStG fallen.[2] Die Frage, welche Steuerklasse dabei maßgebend ist, ist von dem beim späteren Erwerb geltenden Gesetz her zu beurteilen.[3] Dies ist nun relevant geworden, weil eingetragene Lebenspartner in die Steuerklasse I hochgestuft wurden durch das Jahressteuergesetz 2010 (s. § 15 ErbStG Rz. 20). Da gemäß § 37 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG dieses Gesetz auf den Zeitpunkt des Erwerbs zurückwirkt, gilt § 27 ErbStG, wenn die Voraussetzungen einer Lebenspartnerschaft im Tatsächlichen damals bereits vorlagen.[4]

 

Rz. 3

[Autor/Stand] Erwerber der Steuerklasse II werden aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gleichgestellt.[6] Mit Urteil vom 22.8.2017[7] hat der BFH erneut klargestellt, dass eine erweiternde Auslegung des § 27 Abs. 1 ErbStG auf andere Fälle, in denen die Steuerklasse I nur im Verhältnis zwischen dem ursprünglichen Vermögensinhaber und dem Letzterwerber gegeben ist, aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 3, 6 und 14 GG) nicht geboten ist. § 27 ErbStG verstößt auch nicht gegen Europarecht, nämlich die unionsrechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV (s. Rz. 18).

 

Rz. 4

[Autor/Stand] Tatsächliche Änderungen zwischen den beiden Erwerben (z.B. Heirat oder Adoption) können nicht auf den Zeitpunkt des Vorerwerbs bezogen werden.[9]

 

Rz. 5

[Autor/Stand] Bei Schenkungen ist zu beachten, dass die Eltern und Voreltern des Schenkers in die Steuerklasse II fallen. Für diese gilt jedoch die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG, wenn sie das ihren Abkömmlingen geschenkte Vermögen durch deren Vorversterben wieder von Todes wegen zurückerhalten, wobei das Vermögen jedoch streng identisch sein muss (s. § 13 ErbStG Rz. 71).

 

Rz. 6

[Autor/Stand] Fällt der Erwerber (z.B. Steuerklasse II oder III) nur aufgrund der Anwendung von § 19a Abs. 4 Satz 2 ErbStG unter die Steuerklasse I, so genügt das nicht.[12] § 19a ErbStG führt nur zu einer Steuersatzermäßigung, nicht aber zu einer Steuerklassenumgruppierung.[13]

 

Rz. 7

[Autor/Stand] Das Angehörigenverhältnis muss stets aus der Sicht des jeweiligen Erwerbs bestimmt werden. Es kommt auf das Angehörigenverhältnis zwischen dem Letzterwerber und dem letzten Erblasser an, so dass der Ersterwerb auch ein Erwerb durch Schenkung unter Lebenden gewesen sein kann.[15] Eine personelle Identität wie bei § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG (s. § 13 ErbStG Rz. 71) ist nicht erforderlich. Der Zweiterwerber braucht also im Verhältnis zum ursprünglichen Vermögensinhaber nicht unter die Steuerklasse I zu fallen.

 

Beispiel

Vater schenkt Sohn Vermögen, dessen Ehefrau erbt dieses Vermögen. Dieser Erwerb ist begünstigt.

Anders ist es, wenn Vater dem Sohn Vermögen schenkt und dieses Vermögen seine Schwester erbt, weil diese nur im Verhältnis zum Vater unter die Steuerklasse I fällt.

Auch Erwerbe in gleichem Personenverhältnis kommen in Betracht.

 

Beispiel

Schenkung an Ehefrau, dann beerbt der Ehemann seine Ehefrau.

 

Rz. 8

[Autor/Stand] Kommt es zu mehr als zwei Erwerbsvorgängen innerhalb des für § 27 ErbStG maßgeblichen Zehnjahreszeitraums, so beeinträchtigt ein nicht ermäßigter Zwischenerwerb nicht die Ermäßigung des Letzterwerbs.

 

Beispiel

Vater schenkt der Tochter Vermögen. Diese schenkt es weiter an ihren Neffen, der von seiner Ehefrau beerbt wird.

 

Rz. 9

[Autor/Stand] Ob die Steuerklasse I eingreift, beurteilt sich nach den Grundsätzen des ErbStG. Besteht z.B. bei einer Schenkung eine strenge Verpflichtung zur Weitergabe, so erwirbt der Dritte vom Schenker.[18]

 

Rz. 10

[Autor/Stand] Die Fälle des § 3 Abs. 2 ErbStG sind zu beachten, so dass z.B. Abfindungen durch einen Dritten als vom Erblasser erlangt (z.B. § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG) bzw. im Fall des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG als vom Schenker erlangt gelten.

 

Rz. 11

[Autor/Stand] Im Fall der Vor- und Nacherbfolge kann im Fall des § 6 Abs. 2 ErbStG der Nacherbe einen Antrag nach § 6 Abs. 2 ErbStG stellen und damit u.U. seine Steuerklasse beeinflussen (s. Rz. 23). Dieses Wahlrecht besteht jedoch nicht, wenn der Erblasser die Nacherbfolge nicht mit dem Tod des Vorerben verknüpft hat (R E 27 Abs. 3 ErbStR 2019).

 

Rz. 12

[Autor/Stand] Der Schlusserbe bei einem Berliner Testament nach § 2269 BGB kann auch gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 ErbStG seine Steuerklasse beeinflussen, indem er sich auf ein näheres (Steuerklasse I) verwandtschaftliches Verhältnis zum Vorverstorbenen beruft, um die Vergünstigung des

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