1. Beginn und Begründung des Wohnsitzes

 

Rz. 32

[Autor/Stand] Der Wohnsitz ist allgemein im Steuerrecht von großer Bedeutung. Die steuerliche Begriffsbestimmung enthält § 8 AO (s. dazu auch AEAO zu § 8 AO[2]). Danach hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten oder benutzen will. Während nach bürgerlichem Recht die Begründung eines Wohnsitzes eine rechtsgeschäftliche Handlung ist (vgl. §§ 7 ff. BGB), knüpft die steuerrechtliche Begriffsbestimmung des Wohnsitzes an die tatsächliche Gestaltung und an wirtschaftliche Gesichtspunkte an.[3] Sind für einen Ort die Voraussetzungen des § 8 AO objektiv erfüllt, so kommt einem etwaigen Willen des Steuerpflichtigen, an diesem Ort keinen Wohnsitz zu begründen, keine Bedeutung zu.[4] Der Wille des Steuerpflichtigen, der auf einen den tatsächlichen Verhältnissen entgegengesetzten Zustand abzielen kann, ist also nicht entscheidend. Die polizeiliche Anmeldung ist für die Begründung eines Wohnsitzes ebenfalls nicht maßgebend; sie kann aber ein wichtiges Merkmal für die Beurteilung des Sachverhalts sein. Das Gleiche gilt für die Aufgabe eines Wohnsitzes.

 

Rz. 33

[Autor/Stand] Der Wohnsitzbegriff i.S.d. § 8 AO setzt das Vorhandensein einer Wohnung und das Innehaben dieser Wohnung unter Umständen der Beibehaltung und Benutzung voraus. Als Wohnung im sprachlichen Sinn sind Räumlichkeiten anzusehen, die objektiv zum Wohnen geeignet sind. Sie brauchen nicht zu dauerndem Aufenthalt bestimmt sein.[6] Einfache Unterkünfte wie z.B. Ferien- und Wochenendhäuser, Sommerwohnungen, Jagdhäuser können als Wohnung i.S.d. § 8 AO in Betracht kommen.[7] Behält ein ins Ausland versetzter Arbeitnehmer eine Wohnung im Inland bei, deren Benutzung ihm jederzeit möglich ist und die so ausgestattet ist, dass sie ihm jederzeit als Bleibe dienen kann, so ist widerlegbar zu vermuten, dass er einen Wohnsitz im Inland hat.[8] Der bewertungsrechtliche Begriff der Wohnung – Wohneinheit zur Führung eines selbständigen Haushalts (s. § 75 BewG Rz. 28 ff.) – und die in den Wohnungsbaugesetzen geforderten Mindestvoraussetzungen greifen im Rahmen der Wohnsitzbestimmung des § 8 AO nicht Platz. Deshalb kann auch ein gemietetes möbliertes Zimmer für die Begründung eines Wohnsitzes ausreichen. Unerheblich ist auch, ob eine Wohnung mit eigenen oder fremden Möbeln ausgestattet ist. Die Wohnung braucht auch gar nicht gemietet zu sein; es genügt, wenn sie in tatsächlicher Hinsicht benutzt wird, z.B. wenn volljährige Kinder in der Wohnung ihrer Eltern mitwohnen.

 

Rz. 34

[Autor/Stand] Weitere Voraussetzung für das Vorliegen eines Wohnsitzes ist das Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass sie beibehalten und benutzt wird. Als Anhaltspunkt, für welche Zeitdauer bei Wohnsitzbegründung diese Absicht bestehen muss, kann auf die Sechsmonatsfrist des § 9 Satz 2 AO zurückgegriffen werden.[10] Der Steuerpflichtige muss also tatsächlich über die Wohnung verfügen können. Sie muss ihm als Bleibe dienen, sei es, dass er sie ständig benutzt, sei es, dass er mit einer gewissen Regelmäßigkeit von ihr Gebrauch macht[11], z.B. wenn ein Ausländer im Inland eine Wohnung besitzt, die er regelmäßig zum Besuch seines Arztes aufsucht[12], oder wenn er seine ihm gehörende Doppelhaushälfte im Inland regelmäßig zweimal jährlich zu bestimmten Zeiten über mehrere Wochen benutzt.[13] Die Umstände des Einzelfalles müssen darauf schließen lassen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung behalten und benutzen wird, wobei ein Anhalt sein kann, ob die Wohnung den Bedürfnissen des Steuerpflichtigen entspricht.[14] Nicht erforderlich ist eine bestimmte Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr, während der sich der Steuerpflichtige in der Wohnung aufhält. Die 183-Tage-Regel gilt hier nicht.

 

Rz. 35

[Autor/Stand] Auch wenn der Hauptwohnsitz im Ausland liegt, steht dies der Annahme eines weiteren inländischen Wohnsitzes nicht entgegen.[16]

 

Rz. 36

[Autor/Stand] Der Steuerpflichtige kann eine Wohnung auch im Rahmen der Familie innehaben. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass ein Ehemann im Allgemeinen dort seinen Wohnsitz hat, wo seine Familie wohnt. Dies gilt auch dann, wenn er seine Tätigkeit außerhalb dieses Ortes aufnimmt und bei sich bietender Gelegenheit immer wieder zu seiner Familie zurückkehrt.[18] Dieser Grundsatz vom Familienwohnsitz gilt nach der BFH-Entscheidung v. 3.12.1964[19] selbst dann, wenn der Steuerpflichtige im Ausland einen weiteren Wohnsitz hat, die inländische Wohnung zeitweise nicht benutzt und beabsichtigt, seine Familie bei sich bietender Gelegenheit ins Ausland nachkommen zu lassen.[20]

 

Rz. 37

[Autor/Stand] Der Grundsatz, dass der Ehemann, der von seiner Familie nicht dauernd getrennt lebt, den Wohnsitz der Familie teilt, gilt aber nicht ausnahmslos. So begründet ein Wohnsitz, der nach den äußeren Umständen nur für die Ehefrau und die Kinder bestimmt ist, keinen Wohnsitz für den Ehemann. Auch aus anderen Gründen kann ein gemeinsamer Wohnsitz eines im Auslan...

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