Rz. 37

[Autor/Stand] Mit der Anordnung der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der Steuerbilanzwerte (Buchwerte) anstelle des bis 31.12.1992 geltenden Teilwertprinzips hatte der Gesetzgeber des StÄndG 1992[2] (vgl. Rz. 28) einem seit geraumer Zeit diskutierten Vorschlag entsprochen und einen gravierenden Schritt in Richtung Steuervereinfachung getan. Die grundsätzliche Übernahme der steuerbilanziellen Buchwerte in die Vermögensaufstellung führte zu einer nicht unerheblichen Arbeitsentlastung sowohl bei den Finanzbehörden als auch bei den Steuerpflichtigen und deren Beratern. Ein vollständiger Vereinfachungseffekt trat freilich nur bei solchen Steuerpflichtigen ein, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelten, m.a.W. tatsächlich eine Steuerbilanz erstellten. Gleichwohl trat aber auch bei den nichtbilanzierenden Steuerpflichtigen eine nicht unbeträchtliche Vereinfachung dadurch ein, dass § 109 Abs. 2 BewG i.d.F. ab 1.1.1993 für eine der wichtigsten und streitträchtigsten Vermögenskategorien – das abnutzbare Anlagevermögen – eine Verkoppelung von "Ertragsteuerwert" und Ansatz in der Vermögensaufstellung angeordnet hatte. Der Streit um die zulässige Abschreibung, um Anhaltewerte (Restwerte) und Preissteigerungszuschläge war insoweit obsolet geworden.

 

Rz. 38

[Autor/Stand] Mehr noch als um den Vereinfachungseffekt ging es dem Gesetzgeber des StÄndG 1992 (vgl. Rz. 28) allerdings um den Abbau der seit langem als zu hoch kritisierten Belastung gewerblicher Unternehmen mit ertragsunabhängigen (Substanz-)Steuern. Ob zur Erreichung dieses zweifelsohne legitimen Ziels die prinzipielle Übernahme der Steuerbilanzwerte in die Vermögensaufstellung das probate Mittel war, erschien allerdings – aus steuersystematischen und vor allem aus verfassungsrechtlichen Gründen – mehr als zweifelhaft. Zutreffend konstatierte H.U. Viskorf[4], mit dem Übergang zu den Steuerbilanzwerten sei der Versuch aufgegeben worden, die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens bei der Einheitsbewertung mit ihren "richtigen Werten" anzusetzen. Ziel einer gerechten und gleichmäßigen Vermögens- sowie Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung muss es indessen sein, der Besteuerung einheitliche – realitätsnahe – Werte für alle Vermögensarten und Gruppen wirtschaftlicher Einheiten zugrunde zu legen.[5] Dieses Ziel wurde dadurch verfehlt, dass gewerbliches Betriebsvermögen mit großenteils unter den "wirklichen Werten" liegenden Steuerbilanzwerten, dagegen "sonstiges Vermögen", etwa Anteile an börsennotierten Kapitalgesellschaften, mit dem gemeinen Wert (z.B. Börsenkurs) angesetzt wurden.

 

Rz. 39

[Autor/Stand] Gemessen am Maßstab des Verkehrswerts waren die Steuerbilanzwerte zur Ermittlung einer gerechten Bemessungsgrundlage, namentlich für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, nicht geeignet. Dies erhellte schon daraus, dass die in der Steuerbilanz vorgenommenen Abschreibungen und erhöhten Absetzungen für Abnutzung häufig über den tatsächlichen Werteverzehr hinausgingen. So dienen die Sonderabschreibungen und erhöhten AfA primär der Wirtschaftslenkung durch die Gewährung indirekter Steuersubventionen und führen dazu, daß die entsprechenden Buchwerte jeglichen Bezug zu einer realitätsgerechten, am Verkehrswert orientierten Wertbildung verlieren.[7]

 

Rz. 40

[Autor/Stand] Das im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum JStG 1997 v. 20.12.1996[9] angeführte Argument für den Ansatz der Steuerbilanzwerte, es sei schwer, den Verkehrswert von Betriebsvermögen eindeutig zu bestimmen, so dass aus Gründen der Steuervereinfachung und Praktikabilität typisierend auf die Steuerbilanzwerte abzustellen sei,[10] vermochte für sich allein den Art. 3 Abs. 1 GG widerstreitenden realitätsfernen Ansatz der Buchwerte nicht zu rechtfertigen.[11] Auch der Hinweis auf die Bindung des Betriebsvermögens an das Gemeinwohl überzeugte letztlich nicht. Denn die Privilegierung des Betriebsvermögens durch das Buchwertprinzip griff unabhängig davon ein, ob der Erwerber den Betrieb fortführte oder unmittelbar nach dem Erwerb versilberte.[12]

 

Rz. 41

[Autor/Stand] Auch innerhalb der Vermögensart "Betriebsvermögen" kam es infolge der Übernahme des Buchwertprinzips zu Ungleichheiten, etwa zwischen neugegründeten Unternehmen, bei denen die Steuerbilanzwerte den Investitionskosten und damit den "realen" Werten entsprachen oder zumindest nahekamen, und seit langem existierenden Unternehmen, die im Laufe der Zeit erhebliche stille Reserven bilden konnten.[14]

 

Rz. 42

[Autor/Stand] Überdies führte die Verlängerung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs. 1 EStG) über die Steuerbilanz hinaus bis in die Vermögensaufstellung hinein[16] zu einer Verstärkung der Bedenken, denen das Maßgeblichkeitsprinzip im Hinblick auf die unterschiedlichen Zwecke der Handelsbilanz einerseits (Gläubigerschutz, Vorsichtsprinzip, Ermittlung des vorsichtig bemessenen, ausschüttbaren Gewinns) und der Steuerbilanz und Vermögensaufstellung (Ermittlung des "wirklichen" Gewinns und Vermögens, vor allem unter den Gesichtspunkten der Leist...

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