Rz. 34

[Autor/Stand] Befinden sich auf einem Grundstück mehrere Gebäude oder Gebäudeteile, können sie sich sowohl in der Bauart und Bauausführung (s. Anm. 17) als auch im Baujahr (s. Anm. 21) unterscheiden. Soweit Unterschiede vorliegen, erfolgt eine getrennte Bewertung der verschiedenen Gebäude oder Gebäudeteile. Dabei ist die Jahresrohmiete für die gesamte wirtschaftliche Einheit auf die verschiedenen Gebäude oder Gebäudeteile aufzuteilen und für jedes Gebäude oder jeden Gebäudeteil der nach Bauart und Bauausführung und nach dem Baujahr maßgebende Vervielfältiger anzuwenden. Die Summe der sich so ergebenden Produkte ist der Grundstückswert. Bei einer gesonderten Ermittlung der Werte der einzelnen Gebäude oder Gebäudeteile werden also verschiedene Vervielfältiger und damit unterschiedliche Bewirtschaftungskosten berücksichtigt. § 80 Abs. 4 BewG entspricht der Regelung des Jahresrohmietenverfahrens nach dem BewG 1934, wenn auf einem Grundstück Altbauten und Neubauten zusammentreffen. Auch dort wurden die auf Altbauten und Neubauten entfallenden Mietanteile aufgegliedert und mit dem jeweils in Betracht kommenden Vervielfältiger multipliziert. Die BewRGr führen zutreffend aus[2], dass die Gebäude oder Gebäudeteile, für die verschiedene Vervielfältiger angewendet werden sollen, eine gewisse Selbständigkeit haben müssen.

 

Beispiel 2

Für ein Mietwohngrundstück in einer Gemeinde mit 60 000 Einwohnern beträgt die Jahresrohmiete 6 000 DM. Hiervon entfallen 4 000 DM auf das Vorderhaus, das im Jahre 1910 als Holzfachwerkbau mit Ziegelsteinausmauerung errichtet worden ist, und 2 000 DM auf das Hinterhaus, das als Massivbau erbaut und im Jahre 1920 bezugsfertig geworden ist. Der Grundstückswert ist wie folgt zu ermitteln:

 
Vorderhaus 4 000 × 5,5 = 22 000 DM
Hinterhaus 2 000 × 6,5 = 13 000 DM
Grundstückswert   = 35 000 DM
 

Rz. 35

[Autor/Stand] Nach dem BFH-Urteil v. 31.7.1973[4] ist § 80 Abs. 4 BewG auch anzuwenden, wenn das Erdgeschoss eines Gebäudes ein Massivbau, das ausgebaute Dachgeschoss dagegen ein Holzfachwerkbau mit Lehmausfachung ist. In einem solchen Fall sind somit für die zwar in demselben Baujahr, aber in verschiedener Bauausführung errichteten Gebäudeteile (Erdgeschoss, Dachgeschoss) die für die beiden Gebäudeteile jeweils maßgebenden Vervielfältiger anzuwenden. Der Bewertungssenat sah die in Abschn. 28 Abs. 1 BewRGr mit Recht geforderte "gewisse Selbständigkeit" der einzelnen Gebäudeteile (s. Anm. 34) im entschiedenen Fall dadurch gegeben, dass sowohl das Erdgeschoss als auch das Dachgeschoss Wohnzwecken dienen und für beide eine Jahresrohmiete anzusetzen ist. Dadurch unterscheide sich das Gebäude von den Fällen, in denen das Dachgeschoss nicht ausgebaut und deshalb auch keine Miete anzusetzen sei. Sei aber eine Miete anzusetzen, entspreche es dem Sinn und Zweck des § 80 Abs. 4 BewG, dass der unterschiedlichen Bauart und Bauausführung und der damit verbundenen unterschiedlichen Lebensdauer Rechnung getragen werde. Die Nichtanwendung des § 80 Abs. 4 BewG könne in einem solchen Fall nicht mit dem Hinweis begründet werden, dass es auch bei der Bewertung von Geschäftsgrundstücken für die Gebäudeklasseneinteilung unerheblich sei, ob das Dach eines Massivbaues in Holzkonstruktion errichtet oder ausgebaut sei. Denn ein Fabrikdach habe – anders als ein ausgebautes und zu Wohnzwecken genutztes Dachgeschoss eines Einfamilienhauses – im Allgemeinen außer der Bedachung keine andere Funktion.

 

Rz. 36

[Autor/Stand] Demgegenüber hat das FG Berlin mit Urteil v. 19.10.2005[6] ein in Berlin (West) belegenes Wohnungseigentum, das aus dem Dachgeschossausbau eines massiven Wohngebäudes mit vier Vollgeschossen besteht, bei der Einheitsbewertung im Ertragswertverfahren die für Massivbauten geltende Jahresrohmiete laut Mietspiegel und den für Massivbauten geltenden Vervielfältiger gemäß Anlage 3 zu § 80 BewG bewertet.

Die Klägerin erwarb die im Dachgeschoss eines in Berlin (West) gelegenen Hauses befindliche Eigentumswohnung, verbunden mit einem Miteigentumsanteil von 59/1 000. Das Gebäude war 1911 als Massivbau mit vier Vollgeschossen errichtet worden. Das Dachgeschoss wurde in den Jahren 1996 und 1997 ausgebaut. Die Außenwände der Eigentumswohnung werden zur Straßen- und Hofseite jeweils durch die aufsteigenden Dachflächen gebildet. Nur zu den Stirnseiten werden sie teilweise durch das Mauerwerk des Altbaus gebildet. Die übrigen Wände sind inHolzständerbauweise ausgeführt. Die Dachhaut besteht aus Betondachsteinen und Bitumenschweißbahnen in den Flachdachbereichen.

Das Finanzamt setzte für die Eigentumswohnung eine Miete an, die es dem Mietspiegel für Massivbauten mit Mauerwerk aus Ziegelsteinen, Kalksandsteinen, Natursteinen, Schwemmsteinen oder ähnlichen Steinen sowie bei Stahl- und Stahlskelettbauten entnahm. Auf die so ermittelte Jahresrohmiete wandte das Finanzamt den Vervielfältiger 5,8 an.[7] Dagegen wandte sich die Klägerin. Der Vervielfältiger müsse gemäß § 80 Abs. 4 BewG unter Berücksichtigung des Baujahres des Altbaus und d...

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