Rz. 61

[Autor/Stand] Durch die Pauschalierungen bei den Bewertungsmethoden können im Einzelfall Überbewertungen eintreten. Deshalb lässt § 138 Abs. 4 BewG zum Schutz des Steuerzahlers den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zu. Die mit dem Jahressteuergesetz 2007[2] zu Lasten der bisherigen Einzelregelungen[3] eingeführte umfassende Öffnungsklausel gilt für alle wirtschaftlichen Einheiten des Grundbesitzes. Im Gegenzug kann die Finanzverwaltung allerdings keinen höheren gemeinen Wert als den nach den pauschalierten Bewertungsmethoden zu ermittelnden Grundbesitzwert ansetzen. Vielmehr ist die Finanzverwaltung an die gesetzlich vorgeschriebenen Methoden gebunden. Das gilt auch dann, wenn dem Finanzamt der höhere gemeine Wert bekannt ist. Nach § 138 Abs. 4 BewG kann nur ein niedrigerer gemeiner Wert eine Abweichung von den Bewertungsmethoden des Bewertungsgesetzes rechtfertigen.

 

Rz. 62

[Autor/Stand] Nach § 138 Abs. 4 BewG kann der Steuerzahler den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gegenüber dem Grundbesitzwert führen, den das Finanzamt nach §§ 143, 145 bis 149 BewG ermittelt hat. Sofern der Nachweis erbracht ist, wird das Finanzamt den – nachgewiesenen – gemeinen Wert als Grundbesitzwert feststellen. Somit kann auch der gemeine Wert für ein Erbbaurecht oder für das mit einem Erbbaurecht belastete Grundstück nachgewiesen werden.[5] Auch bei einer Bewertung im "Bilanzwertverfahren" (§ 147 BewG) ist für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2006 der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts für die gesamte wirtschaftliche Einheit zulässig. Die vorherige Beschränkung auf die Wertkomponente des Grund und Bodens entfällt daher.

 

Rz. 63

[Autor/Stand] Für Besteuerungszeitpunkte vor dem 1.1.2007 waren die Öffnungsklauseln in Einzelvorschriften geregelt. So war es bei den unbebauten Grundstücken (§ 145 Abs. 3 Satz 3 BewG a.F.) sowie bei den bebauten Grundstücken, die nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten sind (§ 146 Abs. 7 BewG a.F.), möglich, einen unter dem Steuerwert liegenden Verkehrswert des Grundstücks nachzuweisen.

 

Rz. 64

[Autor/Stand] Diesen Nachweis hat der Steuerzahler nach Auffassung der Finanzverwaltung[8] auf den Bewertungsstichtag zu erbringen. In der Literatur[9] wird teilweise eine hiervon abweichende Auffassung vertreten und – zumindest für Besteuerungszeitpunkte vor dem 1.1.2007 – der Wertermittlungsstichtag 1.1.1996 als zutreffend angesehen. Diese Auffassung erscheint nicht zwingend, weil sich der Bewertungsstichtag grundsätzlich nach § 11 ErbStG richtet und danach der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend ist, nicht jedoch der 1.1.1996. Allerdings ist zuzugeben, dass § 138 Abs. 1 BewG in seiner zunächst geltenden Fassung hierzu einen gewissen Widerspruch erzeugt. Würde man der Literaturauffassung folgen, ergäbe sich daraus eine Festschreibung der Wertverhältnisse für einen Zeitraum von elf Jahren. Bei den unbebauten Grundstücken würde sich dadurch eine "Deckung" der Wertverhältnisse für den Steuerwert und der Wertverhältnisse für den Gutachterwert ergeben. In den Fällen, in denen der Kaufpreis als nachgewiesener Wert akzeptiert würde, wäre eine Rückrechnung auf den 1.1.1996 erforderlich. Bei den bebauten Grundstücken würden die Wertverhältnisse für den steuerlichen Ertragswert von den Wertverhältnissen für den nachgewiesenen Verkehrswert abweichen. Eine solche Abweichung ergibt sich auch bei einer Ermittlung des Verkehrswerts auf den Bewertungsstichtag. Denn die Mieten für die Verkehrswertermittlung sind stichtagsbezogen zu bestimmen, die Mieten für den steuerlichen Ertragswert – jedenfalls für Besteuerungszeitpunkte vor dem 1.1.2007 – sind dagegen aus Vergangenheitsergebnissen abzuleiten, ausgedrückt in einem Durchschnittswert. Hier ist also unabhängig von der Frage des Bewertungsstichtags für den nachgewiesenen Verkehrswert stets eine Diskrepanz zu den steuerlichen Wertverhältnissen gegeben.

Zu der Frage, auf welchen Zeitpunkt der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts zu führen ist, hat sich der BFH offenbar für den Bewertungsstichtag entschieden. Denn der BFH führt mit Urteil v. 10.11.2004[10] aus:

"§ 146 Abs. 7 BewG regelt nicht, wie der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zum maßgeblichen Bewertungsstichtag (Zeitpunkt der Entstehung der Steuer: § 9 des Erbschaftsteuergesetzes – ErbStG –) zu führen ist."

 

Rz. 65

[Autor/Stand] In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass sich bei Anwendung der Verwaltungsauffassung in den Fällen, in denen die Bodenrichtwerte rückläufig sind, günstige Ergebnisse für den Steuerzahler ergeben. So ist beispielsweise in Berlin der Bodenrichtwert nach dem 1.1.1996 teilweise um die Hälfte gesunken. Somit hatte der Steuerzahler für Besteuerungszeitpunkte vor dem 1.1.2007 die Möglichkeit, den nach dem Bewertungsgesetz vorgesehenen Wert durch den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zum Besteuerungszeitpunkt um die Hälfte zu reduzieren.

 

Rz. 66

[Autor/Stand] Tz. 2 der gleich lautenden Erlasse v. 2.4.2007[13] hat für Besteuerungszeitpunk...

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