I. Ausübung des Heberechts

 

Rz. 19

[Autor/Stand] § 1 Abs. 1 GrStG legt fest, dass der Gemeinde als kleinste Gebietskörperschaft die aus dem Selbstverwaltungsrecht abgeleitete Entscheidung zur Erhebung der Grundsteuer obliegt. Diese Entscheidungskompetenz ist Ausfluss der Ertragshoheit, die das Aufkommen der Grundsteuer allein den Kommunen zuweist.[2] Um die den Landesfinanzbehörden zustehende Verwaltung der vollständig den Gemeinden zufließenden Grundsteuern auf die Gemeinden zu übertragen, bedarf es nach Urteil des VGH Mannheim gem. Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG eines förmlichen Landesgesetzes.[3] So enthält nun § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG Baden-Württemberg eine Bestimmung, nach der die Festsetzung und die Erhebung der Grundsteuer den Gemeinden obliegt. Für Nordrhein-Westfalen regelt dies das Gesetz über die Zuständigkeit für die Festsetzung und Erhebung der Realsteuern vom 16.12.1981.[4] Entsprechende Normierungen finden sich in § 1 TKAG für Thüringen, in § 7 Abs. 3 Satz 1 SächsKAG und im Realsteuerverwaltungsübertragungsgesetz für Brandenburg. Soweit die Kommunalabgabengesetze die Übertragung der Verwaltungskompetenz für die Realsteuern nicht regeln, ist die Übertragung in sondergesetzlichen Bestimmungen erfolgt.[5] § 46 GrStG, der durch Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 30 des Einigungsvertrages vom 31.8.1990 eingefügt wurde, hatte daher nur bis zum 31.12.1995 materielle Bedeutung.[6]

 

Rz. 20

[Autor/Stand] Hat sich die Gemeinde für die Erhebung einer Grundsteuer entschieden, bedarf es einer ergänzenden Rechtssetzung durch die Gemeinde, deren Zulässigkeit sich aus § 1 Abs. 1 GrStG ergibt.[8] Die Haushaltssatzung, eine Steuersatzung oder das jeweilige Hebesatzgesetz enthält die exakte Festsetzung der Hebesätze. Die Festsetzung erfolgt für die Grundsteuer A (A = agraisch, für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) und für die Grundsteuer B (B = baulich, für Grundstücke), die übereinstimmen oder abweichen können. Nach § 25 Abs. 4 GrStG muss der Hebesatz jeweils einheitlich sein für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft einerseits und Grundstücke andererseits. Der Beschluss kann einjährige Geltung haben oder für mehrere Jahre Anwendung finden. Die zeitliche Obergrenze ist nach § 25 Abs. 2 GrStG mit dem Hauptveranlagungszeitraum bezeichnet.

 

Rz. 21

[Autor/Stand] Die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG umfasst die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung. Es steht im Ermessen der Gemeinden, in welchem Ausmaß sie zur Deckung ihres Finanzbedarfs ihre Steuerquellen heranziehen wollen.[10] Bei der Beschaffung der zum Haushaltsausgleich erforderlichen Einnahmen sind Gemeinden nach landesrechtlichen Regelungen insofern gebunden, als auf Steuerquellen nur zurückgegriffen werden darf, soweit die sonstigen Einnahmen nicht zur Deckung des Haushalts ausreichen (Subsidiaritätsprinzip). Daraus lässt sich indessen kein einklagbarer Anspruch der Grundsteuerzahler auf Verzicht des Heberechts herleiten.[11] Die Gemeinden sind haushaltsrechtlich nicht verpflichtet, einen durch Erhöhung der Leistungsentgelte etwa gewonnenen finanziellen Spielraum gerade zu einer Senkung des Hebesatzes zu nutzen. In welchem Ausmaß die Gemeinden zur Deckung ihres Finanzbedarfs aus den ihr zur Verfügung stehenden Steuerquellen schöpfen, steht vielmehr ihrem Ermessen.[12] Das Hebesatzrecht dient einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden und gewährleistet einen weiten Spielraum.[13] Die Steuer darf aber – gemessen an der normalen finanziellen Leistungskraft – keine erdrosselnde Wirkung haben.[14] Näheres dazu in der Kommentierung zu § 25 GrStG.

 

Rz. 22

[Autor/Stand] Erhebt eine Gemeinde Grundsteuer, ist sie an die Regelungen des Grundsteuergesetzes gebunden.[16] Steuervereinbarungen i.S. gesetzesabweichender Arrangements zwischen Steuergläubiger und Steuerpflichtigen, die sowohl das Prinzip der Gesetzmäßigkeit als auch den Gleichheitssatz verletzen, sind nichtig.[17] Die Behörde darf auf die Erhebung einer nach dem Gesetz geschuldeten Grundsteuer weder ganz noch teilweise verzichten.[18]

 

Rz. 23

[Autor/Stand] Gemeindeverbände sind kommunale Zusammenschlüsse, die entweder zur Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildete Gebietskörperschaften sind oder die diesen nahestehen.[20] Beispiele bilden die niedersächsischen Samtgemeinden und die rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinden. In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein heißen die Zusammenschlüsse Ämter, in Sachsen werden sie als Verwaltungsverbände und in Thüringen als Verwaltungsgemeinschaften bezeichnet. Die übrigen Länder haben keine Gemeindeverbände unter der Kreisebene. Hebeberechtigt sind nicht die Gemeindeverbände, sondern die jeweiligen Gemeinden.

 

Rz. 24

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Marx, Stand: 01.09.2020
[2] Vgl. Kühnold in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 1 GrStG Rz. 2.
[3] Vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 18.5.1981 – II 1420/79, KStZ 1981, 133.
[4] GV. NRW. 1981, 732; geändert durch Art. 8 des Gesetzes v...

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