Rz. 561

[Autor/Stand] Die Ertragsaussichten einer Kapitalgesellschaft bestimmen sich nach dem künftigen ausschüttungsfähigen Ertrag, d.h. nach dem Teil künftiger Gewinne, der voraussichtlich für eine Ausschüttung an die Gesellschafter zur Verfügung stehen wird.[2] Thesaurierte Erlöse können nicht anders behandelt werden als tatsächlich verteilte Gewinne.[3] Maßgebend für die Beurteilung der Ertragsaussichten ist deshalb nur die finanzielle Verfügbarkeit des Ertragsüberschusses.[4]

 

Rz. 562

[Autor/Stand] Der künftige Jahresertrag ist, da eine freie Schätzung zu großen Schwierigkeiten führen würde, möglichst aus dem Durchschnitt der Betriebsergebnisse der letzten drei Jahre vor dem Bewertungsstichtag zu ermitteln.[6] Auszugehen ist von dem zu versteuernden Einkommen der Gesellschaft (§§ 7 und 8 KStG). Durch den im Gesetz verwendeten Begriff "Ertragsaussichten" ist für die Bestimmung des anzusetzenden Ertrags die vorausschauende Betrachtungsweise ausdrücklich vorgeschrieben. Deshalb stellt R 99 Abs. 1 ErbStR 2003 zutreffend heraus, dass es zur Ermittlung des Ertragshundertsatzes auf den voraussichtlichen künftigen Jahresertrag ankommt und der in den letzten drei Jahren vor dem Bewertungsstichtag tatsächlich erzielte jährliche Durchschnittsertrag (nur) eine wichtige Beurteilungsgrundlage für die Schätzung dieses voraussichtlichen künftigen Jahresertrags bildet. Der aus den Vorjahresergebnissen ermittelte jährliche Durchschnittsertrag kann somit dann nicht der Anteilsbewertung zugrunde gelegt werden, wenn nach den Verhältnissen, die am Bewertungsstichtag erkennbar oder voraussehbar sind, künftig mit anderen Jahresergebnissen zu rechnen ist, z.B. infolge einer allgemeinen oder einer individuellen, nur den Geschäftszweig oder nur das konkrete Unternehmen der Kapitalgesellschaft betreffenden Änderung der Ertragsverhältnisse. In einem solchen Fall kann der ermittelte Durchschnittsertrag nur als Ausgangsgröße herangezogen werden. Erforderlich ist aber, dass diese Verhältnisse im maßgebenden Zeitpunkt so hinreichend konkretisiert sind, dass mit ihnen objektiv als Tatsache zu rechnen ist.[7] Die maßgebenden Betriebsergebnisse können nicht durch einen Verlustrücktrag gemindert werden.[8]

 

Rz. 563

[Autor/Stand] Eine Einbeziehung von tatsächlichen Jahresergebnissen nach dem Bewertungsstichtag zur Bestimmung des voraussichtlichen künftigen Jahresertrags würde dem Stichtagsprinzip, aber auch dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG widersprechen. Mit dem Begriff "Ertragsaussichten" wird für den anzusetzenden Ertrag zwar eine vorausschauende Betrachtungsweise gefordert, aber keine Rückbeziehung von tatsächlichen Betriebsergebnissen, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Klärung oder Aufhellung des gleichgebliebenen Sachverhalts. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Verwendung von tatsächlichen Betriebsergebnissen, die nach dem Bewertungsstichtag erzielt worden sind und im Zeitpunkt der Durchführung der Bewertung vorliegen, zu einem richtigeren Ergebnis führen würde.[10]

 

Rz. 564

[Autor/Stand] Der BFH stellt in der Entscheidung vom 18.12.1968[12] den Grundsatz der Vermutung unveränderter Ertragsaussichten auf und lässt eine andere Schätzung nur bei einer offensichtlich zu erwartenden erheblichen Änderung des Ertrages zu. Diese einschränkende Auslegung des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG lässt sich weder nach dem Gesetzeswortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift rechtfertigen. Im Rahmen der Gesetzesauslegung liegt es zwar, Ertragsänderungen in der Zukunft nur zu berücksichtigen, wenn sie von einigem Gewicht sind. Der Begriff "erheblich" geht aber darüber hinaus.

 

Rz. 565

[Autor/Stand] Die Rechtsprechung klammert sich m.E. relativ eng an die Verwaltungsregelung des R 99 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2003, wonach der gewichtete Durchschnittsertrag möglichst aus den Betriebsergebnissen der letzten drei vor dem Besteuerungszeitpunkt abgelaufenen Wirtschaftsjahre abgeleitet werden soll.

 

Rz. 566

[Autor/Stand] Das FG Nürnberg hat wiederholt[15] entschieden, dass bei der Ermittlung des Werts von GmbH-Anteilen für Zwecke der Schenkungsteuer nach dem Stuttgarter Verfahren die Ertragsaussichten der letzten drei abgelaufenen Jahre vor dem Jahr der Schenkung zugrunde zu legen sind. Das Betriebsergebnis der GmbH im laufenden Wirtschaftsjahr darf auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn die Schenkung am Ende dieses Jahres erfolgte.

Der BFH bestätigte diese Auffassung[16] und ließ das Betriebsergebnis des im Besteuerungszeitpunkt abgelaufenen Wirtschaftsjahrs unberücksichtigt. Er wies zwar auf den Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006[17] hin, wonach § 19 Abs. 1 ErbStG mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt wurde. Dennoch hat das BVerfG die Weiteranwendung des bisherigen Rechts bis zu einer Neuregelung, die spätestens bis zum 31.12.2008 zu treffen sei, zugelassen. Dementsprechend bezieht sich der BFH auf seine ständige Rechtsprechung, nach der die Schätzung des Anteilswerts im Stuttgarter Verfahren auch für die Erbschaft- und Schenkungsteuer a...

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