Rz. 15

[Autor/Stand] Bei der Erbschaftsteuer sind die Vorschriften zur Behandlung bedingter Erwerbe (§§ 4 und 5 BewG) und Lasten (§§ 6 und 7 BewG) dann anwendbar, wenn der Erwerb einzelner Vermögensgegenstände oder die Belastung durch Nachlassverbindlichkeiten von einer Bedingung oder Befristung abhängt.

Ist der gesamte Erwerb aufschiebend bedingt, findet § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG als lex specialis Anwendung (s. Vor §§ 4–8 BewG Rz. 29). Lediglich bei einem auflösend bedingten (einheitlichen) Erwerb ist § 5 BewG erbschaft-/schenkungsteuerlich anwendbar mit der Folge, dass bei Bedingungseintritt die Besteuerungsfolgen rückwirkend entfallen.

 

Rz. 16

[Autor/Stand] Für das Betriebsvermögen enthielt das BewG bis 31.12.2008 (§ 98a Satz 2 BewG) ebenfalls eine Sondervorschrift, die die Anwendung der §§ 4 bis 8 BewG ausschloss (s. § 4 BewG Rz. 5). § 98a BewG wurde indes mit Wirkung ab dem 1.1.2009 aufgehoben, so dass dieser Vorrang seitdem entfallen ist. Damit kehrt der Gesetzgeber wieder zum sog. statischen Verständnis des Stichtagsprinzips zurück. Die Bedeutung der §§ 4 bis 8 BewG im Bereich des Betriebsvermögens nimmt damit zu, weil die Vorschriften uneingeschränkt anzuwenden sind.[3]

 

Rz. 17

[Autor/Stand] Für aufschiebend bedingte Lasten sieht § 6 BewG ein Abzugsverbot vor. § 6 Abs. 1 BewG untersagt den Abzug von Verpflichtungen, die am Bewertungsstichtag zivilrechtlich (noch) nicht entstanden sind.[5] Die Norm stellt ihrem Wortlaut nach auf die rechtliche "Entstehung" der Verpflichtungen, nicht auf die Möglichkeit ihrer Geltendmachung oder zwangsweisen Durchsetzung durch den Berechtigten ab. So sind etwa aufschiebend bedingte Gegenleistungspflichten des Bedachten bei einer gemischten Schenkung für die Berechnung der Schenkungsteuer erst nach Bedingungseintritt zu berücksichtigen und auch nur dann, wenn die Auflage für den Beschwerten tatsächlich und wirtschaftlich eine Last darstellt.[6] Mit dem Ausdruck "Bedingung" knüpft § 6 Abs. 1 BewG an das Bürgerliche Recht an. Bedingung ist danach die einem Rechtsgeschäft beigefügte Bestimmung, dass die Wirkungen des Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängen. Gemäß § 158 Abs. 1 BGB tritt die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemachte Wirkung eines Rechtsgeschäfts erst mit dem Eintritt der Bedingung ein. Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bzw. schwebt.[7]

 

Rz. 17a

[Autor/Stand] Behält sich ein Schenker den Nießbrauch vor, obwohl der Zuwendungsgegenstand bereits mit dem Nießbrauch eines Dritten belastet ist, hängt die Entstehung des Nießbrauchs des Schenkers nicht vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung i.S.d. §§ 158 Abs. 1 BGB, 6 Abs. 1 BewG ab. Der Nießbrauch des Schenkers entsteht vielmehr mit der Schenkung und erhält einen Rang nach dem älteren Nießbrauch. Die Nachrangigkeit hat zur Folge, dass der Nießbrauch des Schenkers zunächst nicht geltend gemacht oder zwangsweise durchgesetzt werden kann. Seine zivilrechtliche Entstehung wird durch die Existenz des älteren Nießbrauchs aber nicht verhindert.[9] Für eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 1 BewG auf einen am Stichtag entstandenen, aber nachrangigen Nießbrauch besteht kein Anlass. Eine Abweichung von den Regeln des Zivilrechts ist insb. nicht wegen einer fehlenden "wirtschaftlichen Belastung" des Bedachten geboten. Bürgerlich-rechtlich geprägte Begriffe, wie der der aufschiebenden Bedingung in § 6 Abs. 1 BewG, können nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgelegt werden. Ob eine Last aufschiebend bedingt ist, weil sie erst bei Eintritt eines zukünftigen, ungewissen Ereignisses entsteht, hängt nicht davon ab, ob der Eintritt des Ereignisses mehr oder weniger wahrscheinlich ist.[10] Ein vom Schenker vorbehaltener lebenslanger Nießbrauch mindert den Erwerb des Bedachten grundsätzlich auch dann, wenn an dem Zuwendungsgegenstand bereits ein lebenslanger Nießbrauch eines Dritten besteht. Bei der Schenkungsteuerfestsetzung sind die Nutzungsrechte in der Weise zu berücksichtigen, dass der vorrangige und der nachrangige Nießbrauch (als einheitliche Last) nur einmal, aber mit dem höheren Vervielfältiger (§ 14 BewG) abgezogen werden. Die Mehrheit von Nutzungsberechtigten bedeutet keine zusätzliche Last, sondern allenfalls eine Verlängerung der Belastungsdauer.[11]

 

Rz. 17b

[Autor/Stand] Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen bei einer Schenkung mehreren Berechtigten ein Nießbrauch in der Weise eingeräumt wird, dass der Nießbrauch des einen erst mit dem Ableben des anderen entstehen soll (sog. Sukzessivnießbrauch).[13] Ein Nießbrauch, der für die Zeit nach dem Ableben des zunächst berechtigten Nießbrauchers einem Dritten zugewendet wird, ist bei der Schenkungsteuerveranlagung nicht zu berücksichtigen, weil er zur Zeit der Zuwendung nicht bestand, es ungewiss war, ob und ggf. wann er je in Kraft treten würde, und derartige Lasten nach § 6 BewG nicht in Ansatz zu bringen sind. Er hat am Stichtag rechtlich nicht bestan...

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