Rz. 206

[Autor/Stand] Der Begriff der ungünstigen Lage ist gesetzlich nicht definiert. Ungünstig ist die Lage eines Grundstücks stets dann, wenn sich verbunden mit der Nähe zu Störquellen objektiv externe Faktoren nachteilig auf das Grundstück auswirken.

 

Rz. 207

[Autor/Stand] Voraussetzung für die Gewährung eines Abschlages ist aber in jedem Fall, dass eine ungewöhnlich starke Beeinträchtigung aufgrund der ungünstigen Lage des Grundstücks vorliegen muss. Zur Vermeidung einer zu starken Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 82 Abs. 1 Nr. 1 BewG ist als Beurteilungsmaßstab erforderlich, dass es sich um eine vergleichbar starke Beeinträchtigung zu der in § 82 Abs. 1 Nr. 1 BewG ausdrücklich aufgeführten ungewöhnlich starken Beeinträchtigung durch Lärm, Rauch oder Gerüche handeln muss. Insoweit ist stets in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die jeweiligen örtlichen Verhältnisse nach Art, Ausmaß und Dauer tatsächlich eine derart ungewöhnlich starke Beeinträchtigung des Grundstücks herbeiführen.[3] Die Annahme einer ungewöhnlich starken Beeinträchtigung kann m.E. z.B. auch dann angenommen werden, wenn ein erhebliches Risiko besteht, dass die auf einer nahe gelegenen Mülldeponie ausgetretenen Schad- und Giftstoffe das zu bewertende Grundstück betreffen. Nicht dürfte es dagegen zulässig sein, nur die deutlich gestiegene Sensibilität breiter Bevölkerungskreise für einen Bewertungsabschlag ausreichen zu lassen.[4]

 

Rz. 208

[Autor/Stand] Die ungünstige Lage eines Grundstücks kann nur dann zu einer Ermäßigung des Grundstückswerts führen, wenn sich die Belegenheit des Grundstücks nicht bereits in der Miete ausgewirkt hat oder gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 1 BewG durch einen anderweitigen relevanten Abschlag berücksichtigt ist. Dies wird regelmäßig dann nicht in Betracht kommen, wenn sich die ursprüngliche Lage eines Grundstücks erst seit dem Hauptfeststellungszeitpunkt wesentlich verschlechtert hat.

 

Rz. 209

[Autor/Stand] Vor diesem Hintergrund können sich als wertmindernd beispielhaft insbesondere die Lagen auswirken in der Nähe von

  • Anlagen der Schwerindustrie
  • Anlagen der chemischen Industrie
  • Zementwerken
  • Abdeckereien
  • Intensivtierhaltungsbetrieben
  • Truppenübungsplätzen
  • Mülldeponien
  • Atomreaktoren
  • Hochspannungsleitungen[7]
  • Windkraftanlagen[8]
  • Gefängnissen
  • Bordellbetrieben

Dazu gehört auch die Lage des Grundstücks in einem Überschwemmungsgebiet oder im Schatten von nahe stehenden Hochhäusern.

 

Rz. 210

[Autor/Stand] Windkraftanlagen haben zum Teil erheblichen Einfluss auf die Grundstückspreise in der näheren Umgebung. Unmittelbare Einwirkungen entstehen durch Lärm, Schattenwurf und den sogenannten Diskoeffekt (= bei Sonnenschein entstehender Flackereffekt, der durch Spiegelungen auf den sich drehenden Rotorblättern hervorgerufen wird). Mittelbar kommt noch hinzu, dass auch das weitere Umfeld der Grundstücke seine Attraktivität als Naherholungsgebiet verlieren kann. Die Einheitsbewertung ist ein Massenverfahren, das die Möglichkeit ausschließt, bei Windkraftanlagen generell eine von vornherein bestimmte Minderung des Grundstückswerts vorzunehmen.

 

Rz. 211

[Autor/Stand] Wertmindernde Umstände in diesem Zusammenhang werden nach der Finanzverwaltung allerdings unter den folgenden Voraussetzungen berücksichtigt:[11]

  • Eine typisierende Berücksichtigung von Beeinträchtigungen ist nur zulässig, wenn eine größere Anzahl von Grundstücken in gleicher/ähnlicher Weise betroffen ist und das Ausmaß der Belästigung für einzelne regionale Bereiche durch anerkannte Verfahren ermittelt ist.
  • Eine Beeinträchtigung für einzelne Grundstücke ist ungewöhnlich, wenn sie gegenüber der in der Gegend üblichen Beeinträchtigung hervortritt. Die Vorschriften (Grenzwerte) über den Immissionsschutz können als Orientierungshilfe dienen.
  • Einwirkungen sind allerdings dann nicht mehr als ungewöhnlich anzusehen, wenn ganze Stadt-/Ortsteile in annähernd gleicher Intensität in Mitleidenschaft gezogen werden.

Häufig wird seitens der Finanzverwaltung davon ausgegangen, dass im Zusammenhang mit der baurechtlichen Genehmigung von Windkraftanlagen ohne Weiteres die immissionsrechtlichen Vorschriften beachtet wurden, so dass im Regelfall keine ungewöhnliche Beeinträchtigung/Einschränkung vorliege. Vor diesem Hintergrund wird in der Praxis dem Steuerpflichtigen die Beweislast dafür aufgelegt, dass in seinem konkreten Fall bei ihm die Grenzwerte der sog. Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm, kurz TA-Lärm, überschritten werden.

Weist der Hauseigentümer nach, dass die Grenzwerte (i.d.R. die Lärmbelästigung) überschritten sind, kann ihm ohne weitere Differenzierung ein Abschlag von 5 % gewährt werden. Dabei müssen die Grenzwerte um mehr als 10 db überschritten werden.[12]

 

Rz. 212

[Autor/Stand] Hinsichtlich eines durch eine Windkraftanlage erzeugten Schattenwurfs geht die Finanzverwaltung entsprechend zur Lärmbeeinträchtigung davon aus, dass aufgrund der Anforderungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens grundsätzlich keine ungewöhnlich starke Beeinträchtigung vorliege.[14] Die Finanzrechts...

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