a) Begriff und Anwendungsbereich

 

Rz. 171

[Autor/Stand] Auch aufgrund der in § 88 BewG nicht ausdrücklich erwähnten Notwendigkeit des vorzeitigen Abbruchs kann eine Ermäßigung des Gebäudewerts zulässig sein. Ein vorzeitiger Abbruch in diesem Sinne liegt immer dann vor, wenn das Gebäude vor Ablauf der gewöhnlichen, d.h. technischen Lebensdauer abgebrochen werden muss. Typische Anwendungsfälle in diesem Zusammenhang sind städtebauliche Planungen, die einen vorzeitigen Abbruch von Gebäuden vorsehen. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer ist in diesem Fällen grundsätzlich nicht beeinträchtigt.

 

Rz. 172

[Autor/Stand] Im Gegensatz zum Sachwertverfahren ist für das Ertragswertverfahren der Fall einer Ermäßigung des durch Vervielfachung der Jahresrohmiete ermittelten Grundstückswerts bei Notwendigkeit baldigen Abbruchs des Gebäudes in § 82 Abs. 1 BewG ausdrücklich aufgeführt (siehe § 82 BewG Rz. 157 ff.).

 

Rz. 173

[Autor/Stand] Für eine Ermäßigung nach § 88 Abs. 2 BewG ist erforderlich, dass am Bewertungsstichtag eine uneingeschränkte Notwendigkeit des späteren Abbruchs des Gebäudes feststeht.[4] Die bloße Wahrscheinlichkeit oder Vermutung eines vorzeitigen Abbruchs reicht nicht aus. Für den Steuerpflichtigen wird der Nachweis über die Notwendigkeit des Abbruchs umso schwieriger zu führen sein, je zeitlich entfernter der anstehende Abriss des Gebäudes vorgetragen wird.

 

Rz. 174

[Autor/Stand] Der Abbruch des Gebäudes muss auf der Grundlage objektiver Gründe feststehen. Eine Ermäßigung wegen vorzeitigen Abbruchs kommt nicht in Betracht, wenn ein Gebäude aus subjektiven Gründen vorzeitig abgebrochen wird, weil der Eigentümer seine persönlichen Vorstellungen und Planungen verwirklichen möchte. Für die abbruchbedingte Wertminderung ist es nicht entscheidend, dass und in welchem Umfang der Grundstückseigentümer in seinen Erwartungen über die Lebensdauer des Gebäudes getäuscht worden ist.[6]

 

Rz. 175

[Autor/Stand] Nicht erforderlich ist ein baldiger Abbruch. Während § 92 Abs. 4 BewG bzw. § 94 Abs. 3 BewG für vertragliche Abbruchverpflichtungen bei Beendigung eines Erbbaurechts bzw. bei Gebäuden auf fremden Grund und Boden unabhängig vom jeweils angewandten Bewertungsverfahren nicht verlangen, dass der Abbruch dem Feststellungszeitpunkt in einem bestimmten zeitlichen Abstand nachfolgen müsse, ist nach § 82 Abs. 1 Nr. 3 BewG im Rahmen des Ertragswertverfahrens ein baldiger Abbruch erforderlich (vgl. dazu § 82 Rz. 159). Die Finanzverwaltung möchte gleichwohl eine zeitliche Beschränkung in Form von 10 Jahren auch im Rahmen des § 88 BewG für das Sachwertverfahren anwenden.[8] Der insoweit maßgebliche Wortlaut des § 88 BewG enthält für eine solche Auslegung mit einer einhergehenden zeitlichen Begrenzung jedoch keine Anhaltspunkte. Dem entsprechend hat der BFH auch einen 17 Jahren später feststehenden Abbruchszeitpunkt als zulässig angesehen.[9]

 

Rz. 176

[Autor/Stand] Mitunter erhält der Eigentümer eines Grundstücks für den Abbruch des aufstehenden Gebäudes von Dritten eine Entschädigung gezahlt. Die Entschädigungszahlung ist bei der Bemessung des Abschlags zu berücksichtigen. Dies hat in der Art und Weise zu erfolgen, dass der Grundstückswert nach Vornahme des Abschlags wegen Abbruchs um die tatsächliche Abfindungszahlung wieder erhöht wird.[11]

 

Rz. 177– 185

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

b) Höhe des Abschlags

 

Rz. 186

[Autor/Stand] Die Höhe des für den vorzeitigen Abbruchs zu gewährenden Abschlags bemisst sich nach dem im Feststellungs- bzw. Fortschreibungszeitpunkt bestehenden Verhältnis zwischen der nach der gewöhnlichen Lebensdauer errechneten Wertminderung wegen Alters und der Wertminderung, die sich ergibt, wenn die infolge des vorzeitigen Abbruchs verkürzte Lebensdauer des Gebäudes zugrunde gelegt wird. Dabei ist der berechnete Abschlag nicht um eine fiktive Absetzung für Abnutzung für die Zeit zwischen den Hauptfeststellungszeitpunkt und dem Feststellungs- bzw. Fortschreibungsgesichtspunkt zu mindern.[14]

 

Rz. 187

 

Beispiel:

Ein Gebäude mit einer gewöhnlichen Lebensdauer von 100 Jahren muss in 5 Jahren abgebrochen werden. Es ist im Hauptfeststellungszeitpunkt 40 Jahre alt. Die relevanten Werte stellen sich wie folgt dar:

 
Gebäudenormalherstellungswert 90.000,00 DM
Gebäudesachwert 54.000,00 DM
(= 90.000,00 DM – 90.000,00 DM × 40/100)  

Die Ermäßigung wegen vorzeitigen Abbruchs errechnet sich wie folgt:

 
Berücksichtigte Alterswertminderung: 40 %
Die verkürzte Lebensdauer beträgt: 40 Jahre (Alter) + 5 Jahre (restliche Lebensdauer) 45 Jahre
Danach ergibt sich ein Absetzungssatz von 40/45 × 100: 89 %

Von diesem Quotienten ist die bereits im Hauptfeststellungszeitpunkt berücksichtigte Wertminderung wegen Alters dem Sachverhalt entsprechend mit 40 % abzuziehen.

 
Die Ermäßigung infolge vorzeitigen Abbruchs beträgt somit: 90.000,00 × 49 (= 89 – 40)/100: 44.100,00 DM
 

Rz. 188

[Autor/Stand] Die dargestellte Berechnungsmethode bedeutet, dass der Gebäudenormalherstellungswert entsprechend der Berechnung des Abschlags wegen wirtschaftlicher Abnutzung gleichmä...

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