Rz. 107

[Autor/Stand] Ein Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts setzt nicht zwingend ein Sachverständigengutachten voraus. Ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielter Kaufpreis wird vom Finanzamt ebenso als Nachweis anerkannt.[2] Dem Kaufpreis dürfen also keine Verkäufe unter nahen Angehörigen oder sog. Notverkäufe zugrunde liegen. Dabei bestehen – so der Wortlaut der Tz. 2 der gl. lt. Erl. v. 2.4.2007[3] – keine Bedenken, diesen Wert regelmäßig ohne Wertkorrekturen als Grundstückswert festzustellen. Zunächst wurden von der Finanzverwaltung nur solche Kaufpreise anerkannt, die innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt erzielt wurden. Der BFH hat dagegen mit Urteil v. 2.7.2004[4] entschieden, dass auch ein Kaufpreis anzuerkennen ist, der innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt erzielt wurde, wenn sich die bewertungsrechtlich maßgebenden Verhältnisse in diesem Zeitraum nicht gravierend geändert haben. Tz. 2 Abs. 5 der gl. lt. Erl. v. 2.4.2007[5] dehnt den vom BFH aufgezeigten Anwendungszeitraum weiter aus.

 

Rz. 108

[Autor/Stand] Danach ist in erster Linie die Ableitung aus einem im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Kaufpreis vorgesehen, der innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommen ist. Daneben ist die Ableitung aber auch außerhalb des Jahreszeitraums – also ohne Beschränkung auf einen Dreijahreszeitraum – zulässig, wenn der Kaufpreis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen ist und sich die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen zum Besteuerungszeitpunkt nicht verändert haben. Diese Voraussetzung dürfte in der Praxis bei einem relativ statischen Immobilienmarkt erfüllt sein. Die Indizwirkung des Kaufpreises für den gemeinen Wert wird allerdings bei wachsendem zeitlichem Abstand immer mehr nachlassen.

 

Rz. 109

[Autor/Stand] Der Kaufpreis muss – nach der zunächst von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung – innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommen sein. Die Jahresfrist dürfte von der Finanzverwaltung in Anlehnung an § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG bestimmt worden sein, der die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach dem Stuttgarter Verfahren regelte. Abweichend von dieser Vorschrift berücksichtigt die Finanzverwaltung bei der Grundstücksbewertung auch Verkäufe nach dem Bewertungsstichtag. Dies dürfte – auch unter dem Gesichtspunkt des Stichtagsprinzips – für die Praxis sinnvoll sein, weil dadurch Kaufpreise, die im Rahmen einer Erbauseinandersetzung zustande gekommen sind, für den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts herangezogen werden können.

 

Rz. 110

[Autor/Stand] Der BFH weist im Urteil v. 8.10.2003[9] darauf hin, dass der Steuerpflichtige grundsätzlich frei in der Wahl der Mittel zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts sei. § 146 Abs. 7 BewG enthalte insoweit keine Einschränkungen. Deshalb könne ein solcher Nachweis nicht nur durch Vorlage eines Gutachtens des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden, sondern auch durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Bewertungsstichtag erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück. Er verweist in diesem Zusammenhang auf R 177 Abs. 2 ErbStR 2003, der zum stichtagsnahen Kaufpreis auch die Frist von einem Jahr vor und nach dem Bewertungsstichtag enthält.

 

Rz. 111

[Autor/Stand] Mit Urteil v. 2.7.2004[11] hat der BFH entschieden, dass der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts eines bebauten Grundstücks durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Kaufpreis auch dann möglich ist, wenn der Kauf nicht innerhalb eines Jahres vor oder nach dem maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt stattgefunden hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die durch zeitlichen Abstand nachlassende Indizwirkung des Kaufpreises für den gemeinen Wert durch ein Gutachten des Gutachterausschusses, wonach der Bodenwert sich nicht geändert hat, und dadurch ausgeglichen wird, dass auch die für § 146 Abs. 2 BewG maßgebliche erzielte Jahresmiete gleich geblieben ist. Der BFH führt aus:

„Das Erfordernis eines zeitnah erzielten Kaufpreises ergibt sich daraus, dass die Indizwirkung eines Kaufpreises für den gemeinen Wert mit zeitlichem Abstand zum Besteuerungszeitpunkt nachlässt. Ein zeitnah erzielter Kaufpreis ist regelmäßig ein solcher, der innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommen ist (vgl. R 177 Abs. 2 ErbStR 2003). Grundstücksverkäufe, die eine wesentlich längere Zeit als ein Jahr entfernt liegen, bilden im Allgemeinen keine geeignete Grundlage zur unmittelbaren Ableitung des gemeinen Werts (vgl. zur Einheitsbewertung BFH-Urteil vom 26. September 1980 III R 21/78, BFHE 132, 101, BStBl. II 1981, 153). Die durch zeitlichen Abstand zum maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt nachlassende Indizwirkung des Kaufpreises für den gemeinen Wert kann jedoch ...

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