Rz. 31

[Autor/Stand] In der Literatur wurde die Auffassung vertreten, dass diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben das neue Bewertungsrecht für Grundstücke nicht genügen dürfte.[2] Am ehesten ist dem Gesetzgeber eine realitätsgerechte Bewertung bei den unbebauten Grundstücken gelungen. Dort greift er auf den Bodenrichtwert als typisierenden Vergleichswert = Verkehrswert zurück und berücksichtigt mögliche Wertminderungen durch einen pauschalen Abschlag von 20 %, wobei dem Steuerpflichtigen noch zusätzlich die Möglichkeit gegeben wird, eine über dem Verkehrswert liegende Bewertung durch entsprechenden Nachweis zu verhindern.

 

Rz. 32

[Autor/Stand] Bei der Ertragsbewertung hat der Gesetzgeber das Ziel einer realitätsgerechten Bewertung bewusst aus dem Auge verloren. Hier stand der Wille im Vordergrund, ein Verkehrswertniveau zu erreichen, das deutlich unter dem Wertniveau des Wohn-/Nutzflächenverfahrens liegen sollte. Dies scheint er mit einem durchschnittlichen Wertniveau von 50 % gemessen am Verkehrswert erreicht zu haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ansatz des Einheitsvervielfältigers von 12,5 zu einer großen Streubreite um das durchschnittliche Wertniveau von 50 % führt. Seer[4] weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass insbesondere der Einheitsvervielfältiger von 12,5 eine annähernd realitätsgerechte Bewertung im Ertragswertverfahren verhindert. Selbst die Grundstücksmakler würden bei ihrer überschlägigen Ermittlung des Grundstückswerts nicht mit einem einheitlichen Vervielfältiger arbeiten, sondern bei den Vervielfältigern regional, nach Alter und Nutzung differenzieren. Die Vorgehensweise des Gesetzgebers sei nur verständlich vor dem Hintergrund, dass ein Vervielfältiger gesucht wurde, "der Immobilieneigentümer möglichst nicht beunruhigen durfte und für den schließlich in aller Eile noch irgendeine Begründung zu finden war". Seer kommt daher zu dem Ergebnis: "Mit einer sach- und realitätsgerechten Typisierung der Grundstückswerte hat dies schlechtweg nichts mehr zu tun. Es handelt sich vielmehr um einen gleichheitswidrigen Akt legislativer Willkür."

 

Rz. 33

[Autor/Stand] Aus verfassungsrechtlicher Sicht noch eklatanter sind die Wertunterschiede, die sich durch die Bewertung von Industriebauten und sonstigen bebauten Grundstücken ergeben, bei denen wegen der fehlenden Miete eine Bewertung unter getrenntem Ansatz des Boden- und Gebäudewerts erfolgt. Bei dem Gebäudewert stellt der Gesetzgeber auf den ertragsteuerlichen Wert ab, der im Bereich des Betriebsvermögens durch Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen, erhöhten Absetzungen, der Übertragung von 6b-Rücklagen, der Verrechnung von Zuschüssen mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten usw. zu einem unrealistischen Wertansatz für das Gebäude degeneriert sein kann. Hinzu kommt noch das Anknüpfen an die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die ebenfalls nichts mit einer realitätsgerechten Bewertung zu tun haben. Seer[6] bezeichnet daher die ertragsteuerlichen Wertansätze als Zufallswerte und führt dazu aus: "Der Zufall kann aber nur für Glücksspiele, nicht aber für eine rechtsstaatliche Besteuerung maßgebend sein."

 

Rz. 34

[Autor/Stand] Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Widersprüche kommt Seer[8] in seinem Fazit zu dem Ergebnis, dass die neue Grundstücksbewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt. Vielmehr handele es sich hierbei um einen unübersichtlichen Bewertungs-Wirrwarr, was zu einer gleichheitswidrigen Besteuerung der Vermögen führe. Die Grundstücksbedarfsbewertung ab 1996 sei in sich widersprüchlich, setze den Belastungsgrund der Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht folgerichtig um und erzeuge Zufallsergebnisse. Dadurch benachteilige sie nicht nur die Erwerber von Kapitalvermögen gleichheitswidrig, sondern bewirke nicht gerechtfertigte, eklatante Wertverzerrungen auch innerhalb der Gruppe von Immobilienerwerbern. Diese Wertung wird in der Literatur überwiegend geteilt; ihr ist nichts hinzuzufügen.

 

Rz. 35

[Autor/Stand] Kessler/Märkle/Offerhaus[10] fordern in Anlehnung an den Vorlagebeschluss des BFH v. 22.5.2002[11] eine Korrektur der derzeitigen Privilegierungen bei Grundbesitz, Betriebsvermögen sowie nichtnotierten Anteilen an Kapitalgesellschaften, und zwar in der Weise, dass die Bewertung der vorgenannten Vermögensgegenstände nach Verkehrswerten bemessen, zumindest aber an das Verkehrswertniveau angenähert sein müsse. Unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG zur Vermögensteuer v. 22.6.1995[12] setze ein einheitlicher Steuersatz voraus, dass dem Gebot der Gleichheit im steuerlichen Belastungserfolg bereits in der Bemessungsgrundlage Rechnung getragen und dort jede wirtschaftliche Einheit in gleichmäßiger Weise mit den Werten erfasst werde, die den steuerlichen Belastungsgrund ausdrücken würden. Behalte der Gesetzgeber eine einheitliche Tarifvorschrift bei, so werde er bei einer Novellierung des ErbStG darauf achten müssen, dass er Regelungen über die Bi...

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