a) Erstmalige Kenntnis durch Erklärung auf den 1.1.2022

 

Rz. 40

[Autor/Stand] Im Kern schafft die Regelung des § 266 Abs. 3 BewG ein Verwertungsverbot für die Fälle, in denen dem Finanzamt mit der Erklärung zur neuen Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 eingetretene Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse erstmals bekannt werden. Das Verwertungsverbot betrifft die Einheitswert-Feststellungen und zwar im Einzelnen Fortschreibungen nach § 22 BewG und Nachfeststellungen nach § 23 BewG auf Feststellungszeitpunkte vor dem 1.1.2022.

 

Rz. 41

[Autor/Stand] Dabei ist wichtig, dass das Finanzamt über die eingetretenen Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse nicht bereits aus anderen Quellen informiert war. In der Praxis werden insb. Bau-, Grundbuch- und Katasterämter über die wichtigsten Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse informieren. Im Allgemeinen erfolgen diese Informationen zeitnah, so dass dem Finanzamt die mit der Erklärung zum Hauptfeststellungzeitpunkt 1.1.2022 offengelegten Verhältnisse dem Grunde bereits bekannt sind. In diesen Fällen greift das Verwertungsverbot nicht. Vielmehr wird das Finanzamt neben dem Grundsteuerwert auf den 1.1.2022 auch Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreiben sowie Nachfeststellungen oder Aufhebungen der Einheitswerte prüfen bzw. durchführen.

 

Rz. 42

[Autor/Stand] In der Praxis ist im Ergebnis entscheidend, wann das Finanzamt erstmals von den Änderungen erfahren hat. Kommt die erstmalige Information durch den Steuerzahler und dessen Erklärung zur Hauptfeststellung auf den 1.1.2022, darf das Finanzamt die Erkenntnisse nicht bei der Einheitsbewertung auswerten. Erlangt das Finanzamt dagegen die Erkenntnisse aus anderen Quellen, steht der Verwertung bei der Einheitsbewertung nichts im Weg. Demzufolge werden Grundstückseigentümer ein Interesse daran haben, wann und von wem das Finanzamt über die Änderungen Kenntnis erlangt hat.

 

Rz. 43

[Autor/Stand] Es ist dagegen selbstverständlich, dass die Regelung des § 266 Abs. 3 BewG nicht für Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse gilt, die den Finanzbehörden vor dem Eingang der Erklärung i.S.d. § 228 BewG auf den 1. Januar 2022 bekannt geworden sind.

 

Beispiel:

Das Bauamt hat dem Finanzamt im Jahr 2018 mitgeteilt, dass ein Neubau errichtet wird. Die Fertigstellung des Gebäudes erfolgte im Jahr 2020. Hierüber erteilte das Bauamt dem Finanzamt jedoch keine Mitteilung. Das Finanzamt wird in bestimmten Abständen prüfen, ob und wann die Fertigstellung des Gebäudes erfolgt ist, damit zum folgenden Stichtag eine Art- und Wertfortschreibung durchgeführt werden kann. Bevor das Finanzamt den Zeitpunkt der Fertigstellung ermittelt hat, reicht der Eigentümer eine Erklärung zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022 ein und erklärt darin den Zeitpunkt der Fertigstellung im Jahr 2020.

Hier stellt sich die Frage, ob ein Verwertungsverbot des § 266 Abs. 3 BewG besteht. Dies ist aus meiner Sicht nicht der Fall, weil dem Finanzamt die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dem Grunde nach (Kenntnis über die Errichtung eines Neubaus) bereits bekannt war. Lediglich der Zeitpunkt der Fertigstellung war noch nicht bekannt.

b) Verwertungsverbot auch bei begünstigenden Änderungen

 

Rz. 44

[Autor/Stand] Fraglich war bislang, ob die Finanzverwaltung das Verwertungsverbot des § 266 Abs. 3 BewG sowohl bei Änderungen zugunsten als auch bei Änderungen zuungunsten der Eigentümer anwenden. Nach dem Wortlaut würde das Verwertungsverbot auch bei Änderungen zugunsten der Eigentümer gelten. Dies erscheint kaum überzeugend. Dennoch hat die Finanzverwaltung mit den koordinierten Ländererlassen zum Grundvermögen[6] entschieden, dass die Regelung des § 266 Abs. 3 BewG ohne Ermessen sowohl bei Änderungen zugunsten als auch bei Änderungen zuungunsten der Steuerpflichtigen gilt.

 

Rz. 45

[Autor/Stand] Nach der Gesetzesbegründung sollte eine wahrheitsgemäße Abgabe der Erklärungen gefördert werden, indem die Eigentümer keine negativen Konsequenzen bei der Einheitsbewertung für vergangene Zeiträume zu befürchten haben. So soll zukünftig eine realitätsnahe Bewertung sichergestellt werden. Nach dem Wortlaut sind jedoch auch nachträglich bekanntwerdende, begünstigende Tatsachen ebenfalls nur ex nunc zu berücksichtigen. Anders als beispielsweise § 173 AO unterscheidet § 266 Abs. 3 BewG nicht zwischen den unterschiedlichen Auswirkungen der bekanntwerdenden Tatsachen.

 

Rz. 46

[Autor/Stand] Allerdings ergibt sich aus den Gesetzgebungsunterlagen nicht, dass die Eigentümer von begünstigenden Fortschreibungen ausgeschlossen sein sollen. Zudem dürfte es den Eigentümern kaum möglich sein, nachzuweisen, dass die begünstigenden Änderungen nicht erstmals durch die Steuererklärung bekannt geworden sind.

 

Beispiel:

Der Eigentümer eines Grundstücks nutzt seit dem Jahr 2020 bisher zu gewerblichen Zwecken genutzte Räume als Wohnraum, sodass bei der Einheitsbewertung aufgrund des Mietspiegels von 1964 eine Korrektur der angesetzten Jahresrohmiete nach unten vorgesehen ist. Das Finanzamt hat von dieser Änderung zeitnah ke...

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