Rz. 21

Durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) v. 22.12.1999 ordnete der Gesetzgeber aufgrund heftiger Diskussionen in der rechtswissenschaftlichen Literatur sowie im Hinblick auf zahlreiche Rechtsstreitigkeiten die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern neu. In der Literatur (Engelmann, in: jurisPK-SGB V, § 69 Rz. 5) wurde kontrovers diskutiert, ob die Vorschriften des Kartell- und Wettbewerbsrechts auf Versorgungsverträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern Anwendung finden. Der Gesetzgeber bestimmte, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern ausschließlich dem Sozialversicherungsrecht unterliegen und zwar auch dann, wenn dadurch Rechte Dritter betroffen sein könnten. Damit war nach dem gesetzgeberischen Willen eine Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts ausgeschlossen.

Während des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) wurden Stimmen lauter, die auf die dominierende Stellung der gesetzlichen Krankenkassen auf dem Gesundheitsmarkt hinwiesen und monierten, dass dadurch ein funktionierender Wettbewerb behindert oder gar verhindert würde. Das Bundeskartellamt forderte ebenfalls, den Ausschluss des Kartell- und Wettbewerbsrechts in § 69 zu streichen. Dieser Appell hatte Erfolg und führte dazu, dass § 69 um Satz 2 erweitert wurde. Darin wurde bestimmt, dass die §§ 19 bis 21 GWB für die in § 69 genannten Rechtsbeziehungen entsprechend gelten.

Diese Regelung führte zu ganz erheblichen Auslegungsschwierigkeiten. Materiell-rechtlich wurde erörtert, ob damit auch das Kartellvergaberecht der §§ 97ff. GWB auf Verträge zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und ihren Leistungserbringern Anwendung findet. In prozessrechtlicher Hinsicht wurde massiv gestritten, ob für entsprechende Rechtsstreitigkeiten die Zivil- oder Sozialgerichtsbarkeit zuständig sei. Den Ausschlag für eine (erneute) Aktivität des Gesetzgebers gab die Diskussion, ob die Nichtanwendbarkeit des Kartellvergaberechts auf Verträge zwischen gesetzlichen Krankenkassen und ihren Leistungserbringern unionskonform sei. Mit dem GKVOrgWG wurde dann in § 69 ein neuer Abs. 2 geschaffen, der in Satz 1 die entsprechende Geltung der §§ 19 bis 21 GWB weiter aufrecht erhielt und zusätzlich bestimmte, dass die kartellvergaberechtlichen Normen der §§ 97 bis 115 und 128 GWB anzuwenden sind. Dies allerdings mit der Maßgabe (Abs. 2 Satz 3), dass der Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenkassen besonders zu berücksichtigen ist. Weiterhin bestimmte der Gesetzgeber durch die Einfügung von § 142a SGG die Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für kartellvergaberechtliche Rechtsstreitigkeiten im Gesundheitswesen. Durch das AMNOG hat der Gesetzgeber dann die Zuständigkeit der Zivilgerichte (erstmals) bestimmt, was darauf zurückzuführen ist, dass er gleichzeitig die entsprechende Geltung des Kartellrechts festgeschrieben hat.

Damit hatte der Gesetzgeber Regelungen geschaffen, die – zumindest auf den ersten Blick – die Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts im Gesundheitswesen bestimmten. Die praktische Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmungen hat jedoch bereits nach kurzer Zeit gezeigt, dass diese vom Wortlaut klare und eindeutige Regelung zahlreiche neue Probleme aufwirft. Diese Probleme entstehen dem Grunde nach alle dadurch, dass der Gesetzgeber zwei Rechtsgebiete (Vergaberecht und Sozialversicherungsrecht) zwangsweise miteinander verknüpft hat, ohne einzelne – sich zum Teil diametral gegenüberstehende – Bestimmungen der beiden Rechtsgebiete miteinander zu verknüpfen.

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