Rz. 2

Dieser Abschnitt gibt den Krankenkassen die Möglichkeit, zur Versorgung ihrer Versicherten die Beziehungen mit europäischen Leistungserbringern in den Geltungsbereichen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie des Assoziierungsabkommens der Europäischen Union mit der Schweiz vertraglich zu regeln. Während in der Überschrift des Zwölften Abschnitts allgemein von "Beziehungen zu Leistungserbringern europäischer Staaten" die Rede ist, konkretisiert die Vorschrift diese Beziehungen durch "Verträge mit Leistungserbringern europäischer Staaten".

 

Rz. 2a

Die Vorschrift war zunächst mit Wirkung zum 1.1.2004 mit "Verträge mit Leistungserbringern im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der EG und des Abkommens über den EWR" getitelt worden. Sie erstreckte sich somit auf Leistungserbringer in den zur Zeit 25 EG-Staaten und den EFTA-Staaten (Island, Liechtenstein und Norwegen) sowie in der Schweiz, die, obwohl sie EFTA-Mitglied ist, das EWR-Abkommen nicht unterzeichnet bzw. stattdessen ein bilaterales Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union abgeschlossen hatte. Das Abkommen mit der Schweiz ist im Titel expressis verbis zwar nicht aufgeführt, aber die Verträge des Abkommens sind mit dem Inhalt des EWR-Vertrages so verknüpft, dass in der Schweiz z. B. auch die Verordnung zur Anwendung der Systeme zur sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und die Verordnung über deren Durchführung gelten (EWG-Verordnungen Nr. 1408/71 und 574/72). Mit den neuen Überschriften zum 1.1.2007 war die Geltung der Vorschrift von der Zugehörigkeit zu EG- bzw. EFTA-Staaten gelöst und auf die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 bezogen worden, so dass weiterhin nur Leistungserbringer in den vorgenannten Staaten für Vertragslösungen in Betracht kommen konnten, aber nicht solche außerhalb Europas oder aus europäischen Staaten, die nicht zu den EG-Staaten gehören, obwohl Deutschland mit diesen Staaten ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat (z. B. Bosnien-Herzegowina, Türkei).

 

Rz. 2b

Die erneuten Änderungen der Überschriften des Zwölften Abschnitts und der Rechtsvorschrift zum 29.6.2011 beruhen darauf, dass die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und 574/72 seit dem 1.5.2010 durch die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und 987/2009 abgelöst worden sind. Die bisherigen Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und 574/72 gelten allerdings vorläufig weiter für die Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums sowie im Verhältnis zur Schweiz, so dass bei der Änderung des Wortlauts der Überschriften in "europäische Staaten" auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz abgestellt worden ist. Dies wird auch im Text der Vorschrift deutlich, wenn die Erlaubnis zum Vertragsabschluss auf "Leistungserbringer in den anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, in den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz" bezogen wird. Damit werden weiterhin nur Leistungserbringer der europäischen Staaten erfasst, in denen die Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie die bisherigen Verordnungen Nr. 1408/71 und 574/72 Anwendung finden.

 

Rz. 3

Einige Krankenkassen hatten schon vor dem GMG Beziehungen zu den Leistungserbringern in benachbarten Ländern der Europäischen Gemeinschaft aufgenommen, die von ihren Versicherten in diesen Grenzregionen oder während eines Urlaubs in Anspruch genommen wurden. Zum Teil basierten diese Absprachen/Verträge rechtlich auf Sozialversicherungsabkommen, die schon immer eine sofort notwendige Behandlung im Ausland erlaubten. Außerdem hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dazu beigetragen, dass Versicherte auch Leistungserbringer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Anspruch nehmen können, und zwar aufgrund autonom geschlossener Liefer- bzw. Dienstleistungsverträge zwischen den Versicherten und den ausländischen Leistungserbringern. Die Inanspruchnahme ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen darf z. B. in den Niederlanden (und damit auch in den anderen Mitgliedsstaaten der EU) ohne Genehmigung der Krankenkasse erfolgen und löst einen Anspruch auf Erstattung der Kosten gegen die Krankenkasse aus (so EuGH, Urteil v. 12.5.2003, C-385/99).

Sofern eine dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur im Ausland möglich ist, können Krankenkassen Verträge auch mit Leistungserbringern im Ausland abschließen, so dass die Vorschrift eine weitere Rechtsgrundlage für die schon oft geübte Praxis darstellt.

 

Rz. 4

Die Vorschrift eröffnet den gesetzlichen Krankenkassen neben den bisherigen Rechtsgrundlagen, wie EG-Vertrag, Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum einschließlich Assoziierungsabkommen mit der Schweiz und die in diesem Zusammenha...

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