2.1 Pflicht zum Vertragsabschluss (Satz 1)

 

Rz. 3

Nach Satz 1 sind die Krankenkassen oder ihre Landesverbände gesetzlich verpflichtet, mit ärztlichen Einrichtungen, die auf die qualitätsgesicherte Behandlung von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie durch hämostaseologisch qualifizierte Ärztinnen und Ärzte spezialisiert sind, oder mit deren Verbänden Verträge über die Behandlung von Versicherten mit Gerinnungsstörungen bei Hämophilie zu schließen. Die Formulierung "schließen" lässt den Krankenkassen bzw. ihren Landesverbänden keine Wahl, sie haben die Verträge mit den Hämophiliezentren oder deren Verbänden auf Landesebene bzw. regionaler Ebene zu schließen. Der Plural "Krankenkassen oder ihre Landesverbände" deutet aber darauf hin, dass keine nach Kassenarten getrennte Verträge geschlossen werden sollen, sondern für ein Hämophiliezentrum ein Vertrag, der für alle Kassenarten gilt. Aus Sicht der Krankenkassen kommt hinzu, dass die Häufigkeit der genetisch bedingten Blutgerinnungsstörungen relativ gering ist. Die Prävalenz in Deutschland wird auf 6.000 bis 8.000 Patienten geschätzt, davon sind 3.000 bis 4.000 Patienten regelmäßig behandlungsbedürftig. Auf die klassische Hämophilie A entfallen rd. 80 % der Bluter und die anderen auf Hämophilie B, das von Willebrand-Syndrom und andere seltenere Blutungsleiden. Es kann durchaus vorkommen, dass eine Krankenkasse keinen Bluter versichert, sodass sie nicht in der Pflicht steht, einen Vertrag mit einem Hämophiliezentrum abzuschließen.

2.2 Hämophiliezentren

 

Rz. 4

Hämophiliezentren sind nach Satz 1 ärztliche Einrichtungen, die auf die qualitätsgesicherte Behandlung von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie spezialisiert sind. Nach der Gesetzesbegründung kann die Versorgung insbesondere vertragsärztlich oder ambulant spezialfachärztlich erfolgen oder auch in ambulanten Zentren in Krankenhäusern angegliedert sein. Spezialisierte ärztliche Einrichtungen i. S. dieser Vorschrift sind demnach solche, die über eine hämostaseologisch qualifizierte Ärztin oder einen entsprechend qualifizierten Arzt sowie eine besondere Eignung und Ausstattung zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Gerinnungsstörungen bei Hämophilie verfügen. Ob es inzwischen, wie in Satz 1 der Vorschrift angedeutet, Verbände der Hämophiliezentren gibt, die als Vertragspartner infrage kommen könnten, ist bisher nicht bekannt.

Hämostaseologie ist die Lehre von der Blutgerinnung und ihrer Störungen bzw. Ungleichgewichten der Blutstillung und den daraus resultierenden Erkrankungen. Sie ist das Spezialgebiet der Medizin, welches sich mit Hämostase und damit all jenen Faktoren befasst, die zur Beendigung einer Blutung unabdingbar sind. Die Hämostaseologie ist nach der (Muster-)Weiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer eine ärztliche Zusatz-Weiterbildung und umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Erkennung und Behandlung von angeborenen und erworbenen Hämostasestörungen, die zu Thromboembolien und Blutungsstörungen führen können. Zum Inhalt der Zusatz-Weiterbildung gehören u. a. die Indikationsstellung und klinische Beurteilung der Wirksamkeit der Therapie mit Blutprodukten einschließlich der Überwachung, die Verlaufsbeurteilung der langfristigen Heimselbsttherapie bei Hämophilie A und B, die Erstellung von Substitutionsplänen zum periprozeduralen Management bei Patienten mit Hämophilie und von-Willebrand-Syndrom sowie die Erkennung fachbezogener genetisch bedingter Krankheitsbilder und Entwicklungsstörungen. Ärztinnen oder Ärzte müssen also die Zusatz-Weiterbildung Hämostaseologie nachweisen, bevor sie Hämophiliepatienten im Rahmen des Versorgungsvertrages mit dem Hämophiliezentrum behandeln. Allerdings reicht die ärztliche Qualifikation allein nicht aus, einen Versorgungsvertrag mit einem Hämophiliezentrum zu begründen.

Nach Angaben der Deutschen Hämophiliegesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten e. V. (DHG), einer bundesweiten Interessengemeinschaft der an einer angeborenen oder erworbenen Blutungskrankheit Leidenden, ihrer Angehörigen sowie ihrer medizinischen und sozialen Betreuer, mit Sitz in Hamburg, gibt es in Deutschland zahlreiche Hämophiliezentren und Hämophiliebehandlungsmöglichkeiten, die in Anlehnung an Vorschläge internationaler Arbeitsgruppen in folgende 3 Kategorien eingeteilt worden sind:

CCC (Comprehensive Care Center, Hämophiliezentrum mit umfassenden Behandlungsmöglichkeiten):

  • 40 Patienten mit schwerer Hämophilie A oder B
  • 24 Std.-Erreichbarkeit
  • Notfalldepot über 24 Std. verfügbar
  • Arzt für Hämostaseologie
  • Qualifizierter Stellvertreter
  • Stationäre interdisziplinäre Versorgung vor Ort
  • Vereinbarung eines Zusatzentgelts für die stationäre Abrechnung von für die Behandlung notwendigen Gerinnungsfaktoren-Konzentraten
  • Eigenkontrollierte Labordiagnostik vor Ort
  • DHR (Teilnahme am Deutschen Hämophilie-Register)
  • Zusatzentgeltvereinbarung ambulant.

Demnach gibt es nach dem Verzeichnis der DHG in Deutschland 13 CCC.

HBE (Hämophiliezentrum zur Hämophiliebehandlung):

  • 10 Patienten mit schwerer Hämophilie A und B im vorangegangenen Behandlungsjahr
  • 24 S...

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