Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Vertretungsbefugnis im Widerspruchsverfahren. Steuerberater. sozialrechtliches Kindergeldverfahren. außergerichtliche Rechtsdienstleistung gem § 3 RDG. fremde Angelegenheit gem § 2 Abs 1 RDG. keine Nebenleistung gem § 5 Abs 1 RDG

 

Orientierungssatz

1. Zur rechtmäßigen Zurückweisung einer Steuerberaterin als Verfahrensbevollmächtigte in einem Widerspruchsverfahren in einer sozialrechtlichen Kindergeldangelegenheit nach dem BKGG (juris: BKGG 1996) gem § 13 Abs 5 SGB 10.

2. Bei der Prüfung, ob eine Nebenleistung gem § 5 Abs 1 S 2 RDG vorliegt, ist entscheidend, ob die Rechtsdienstleistung innerhalb der Gesamtleistung ein solches Gewicht hat, dass für sie die volle Kompetenz eines Rechtsanwalts oder die besondere Sachkunde einer registrierten Person erforderlich ist (BT-Drucksache 16/3655, S 52).

3. Sinn und Zweck von § 5 RDG ist es sicherzustellen, dass sich Rechtsunkundige einer besonderen Sachkunde ihrer Bevollmächtigten sicher sein können. Die Vorschrift soll den erforderlichen Schutz Rechtssuchender vor unqualifiziertem Rechtsrat gewährleisten (BT-Drucksache 16/3655, S 51).

4. Az beim LSG: L 19 KG 4/12

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligen streiten über die Rechtmäßigkeit einer Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte in einem Kindergeldverfahren nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG).

Die beiden Gesellschafter der Klägerin sind Steuerberater. Ihr Mandant ist Herr J. D. (im Folgenden: J.D.). Dieser ist - wie seine (inzwischen geschiedene) Ehefrau und die gemeinsamen drei minderjährigen Kinder - niederländischer Staatsangehöriger. Alle Familienmitglieder wohnen in den Niederlanden. J.D. ist in Deutschland beschäftigt, nicht unbeschränkt nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) einkommensteuerpflichtig, jedoch versicherungspflichtig nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

J.D. bezog für seine Kinder Familienleistungen nach niederländischem Recht und seit Juli 2008 (vgl. Bescheid vom 11.02.2009) von der Beklagten deutsches Kindergeld nach dem BKGG in Höhe des Unterschiedsbetrages zu den - ggf. niedrigeren - niederländischen Leistungen. Seit dem 25.03.2011 sind J.D. und seine Frau geschieden und leben voneinander getrennt. Die drei Kinder leben im Haushalt ihrer Mutter und sind unter deren Anschrift mit ihrem Wohnsitz gemeldet; sie halten sich tageweise bei J.D. auf. Durch bestandskräftigen Bescheid vom 16.05.2011 hob die Beklagte die Kindergeldbewilligungsentscheidung gegenüber J.D. ab April 2011 auf.

Am 11.07.2011 beantragte J.D. bei der Beklagten deutsches Kindergeld (Ausland). Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 10.08.2011 ab mit der Begründung, die Kindesmutter, in deren Haushalt die Kinder lebten, habe vorrangigen Anspruch, den sie bei der zuständigen Kindergeldkasse geltend machen könne. Hiergegen legte die Klägerin im Auftrag von J.D. am 05.09.2011 Widerspruch ein. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, dass sie in dieser Angelegenheit zur außergerichtlichen Rechtsdienstleistung nach dem Rechtdienstleistungsgesetz (RDG) nicht befugt sei; es sei deshalb eine Zurückweisung als Bevollmächtigte beabsichtigt. Darauf erwiderte die Klägerin, dass "Vorschriften zum Kindergeld im X. Abschnitt des EStG geregelt" seien, sodass sie als Steuerberater auch bei der Familienkasse Mandanten vertreten dürfe.

Durch Bescheid vom 16.11.2011, der gegenüber der Klägerin erging und zugleich J.D. mitgeteilt wurde, wies die Beklagte die Klägerin als Bevollmächtigte des J.D. im Kindergeldablehnungsverfahren zurück. Sie vertrat die Auffassung, Steuerberater seien gem. §§ 1, 3, 33 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) ausschließlich zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt; Geschäftsbesorgung in sozialrechtlichen Angelegenheiten - hier: nach dem BKGG - falle nicht darunter, sei Steuerberatern also nicht gestattet.

Dagegen erhob die Klägerin am 08.12.2011 Widerspruch. Sie wies daraufhin, dass das Kindergeld auch im X. Abschnitt des EStG geregelt sei; die Vorschriften zum Kindergeld in § 3 Abs. 2 BKGG und § 64 EStG seien wortwörtlich identisch. In § 77 EStG werde die Kostenerstattung im Vorverfahren geregelt. Danach habe die Familienkasse sogar die Kosten zu tragen, wenn der Einspruch erfolgreich sei. Im Abs. 2 des § 77 EStG heiße es wörtlich: "Die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistandes, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind erstattungsfähig, wenn dessen Zuziehung notwendig ist."

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2011 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 02.02.2012 Klage erhoben.

In der Zwischenzeit hatten J.D. den von der Klägerin eingelegten Widerspruch gegen den Kindergeldablehnungsbescheid vom 10.08.2011 begründet und die Beklagte diesen Widerspruch durch Widerspruchsbes...

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