1 Das unionsrechtliche Primärrecht als Ausgangspunkt der Umsatzsteuerharmonisierung

1.1 EWG-Vertrag/EG-Vertrag/AEUV

 

Rz. 1

Ausgangspunkt und Grundlage der zum sog. sekundären Unionsrecht (früher Gemeinschaftsrecht) gehörenden Rechtsakte zur Harmonisierung der USt sind verschiedene Bestimmungen des zum sog. Primärrecht zählenden Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV), hervorgegangen durch den Vertrag von Lissabon[1], beruhend auf dem vormaligen Vertrag zur Gründung der EG, dieser wiederum hervorgegangen durch den sog. Vertrag von Maastricht,[2] beruhend auf dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.[3]

 

Rz. 2

Als Primärrecht werden insgesamt die drei Verträge zur Gründung der EG (ab 1.12.2009 durch den Vertrag von Lissabon aufgegangen in der Institution EU)

  • Vertrag zur Gründung der EG für Kohle und Stahl,[4]
  • Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft,[5]
  • EWG-Vertrag (bzw. EG-Vertrag bzw. ab 1.12.2009: AEUV)

einschließlich der dazugehörigen Anhänge, Anlagen und Protokolle sowie der später ergangenen Vertragsänderungen, z. B. Beitrittsakte, Einheitliche Europäische Akte (EEA, in Kraft seit Juli 1987; sie gab den Anstoß für eine schrittweise Verwirklichung des Binnenmarktes und der Wirtschafts- und Währungsunion), Vertrag über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht, in Kraft seit 1.11.1993), mit dem die sog. Europäische Union begrifflich errichtet wurde), Vertrag von Amsterdam (seit 1.5.1999 in Kraft, der u. a. zu einer weiteren Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments führte), Vertrag von Lissabon (in Kraft seit 1.12.2009; mit dem Vertrag wurden u. a. die Institutionen EU und EG zu einer Organisation, der Europäischen Union (EU), zusammengeführt) bezeichnet.

 

Rz. 3

Als Sekundärrecht, auch als sog. abgeleitetes Recht bezeichnet, gilt das Recht, das die Organe der Gemeinschaft (insbesondere Rat und Kommission) in Form von Verordnungen, Richtlinien, Beschlüssen (bis 30.11.2009: Entscheidungen), Empfehlungen und Stellungnahmen schaffen. Das Primärrecht zur Umsatzsteuerharmonisierung besteht vor allem in den Art. 2, 3, 90, 93, 94, 226, 227, 228, 234 und 249 des EG-Vertrags bzw. in den Art. 3, 110, 113, 114, 115, 234, 249, 258, 259, 260, 267, 288 AEUV.[6]

[1] Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der EG v. 13.12.2007, ABl. EU 2007 Nr. C 306.
[2] ABl. EG 1992 Nr. C 191, 1, BGBl II 1992, 1253.
[3] EWG-Vertrag v. 25.3.1957, BGBl II 1957, 766.
[4] EGKS oder Montanunion v. 18.4.1951, BGBl II 1952, 447.
[5] EAG v. 25.3.1957, BGBl II 1957, 1014.
[6] Die konsolidierte Fassung des früheren EG-Vertrags ist veröffentlicht in ABl. EG 2002 Nr. C 325/33; die konsolidierte Fassung des AEUV, zuletzt geändert durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. EU 2012 Nr. L 112/21) mWv 1.7.2013 ergibt sich aus ABl. EU 2008 Nr. C 115/47.

1.1.1 Artikel 3 EU-Vertrag (EUV) – Errichtung eines Binnenmarkts

 

Rz. 4

Art. 3 Abs. 3 EUV[1] enthält die Verpflichtung der Union, einen Binnenmarkt zu errichten. Außerdem soll die Union auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität hinwirken. Damit sollen eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der EU, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten gefördert werden. Art. 3 EUV strebt somit generell den Zusammenhalt der Wirtschaftskräfte der Mitgliedstaaten an.

[1] Konsolidierte Fassung s. ABl. EU 2012 Nr. C-326/13.

1.1.2 Artikel 3 bis 6 und 26 AEUV – Arten und Bereiche der Zuständigkeit der Union

 

Rz. 5

Art. 3 bis 6 AEUV regeln die Bereiche, in denen die Union ausschließlich zuständig ist (Art. 3 AEUV), z. B. für die Zollunion und die Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Wettbewerbsregeln, und die Bereiche, in denen die Union sich ggf. die Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten teilt (Art. 4 AEUV), z. B. den Bereich des Binnenmarkts. Nach Art. 26 Abs. 1 AEUV erlässt die Union die erforderlichen Maßnahmen, um nach Maßgabe der Bestimmungen der Verträge den Binnenmarkt zu verwirklichen bzw. dessen Funktionieren zu gewährleisten.

1.1.3 Artikel 110 AEUV – Diskriminierungsverbot

 

Rz. 6

Art. 110 AEUV verbietet die diskriminierende Belastung von Waren aus anderen Mitgliedstaaten mit Abgaben. Nach Art. 110 Abs. 1 AEUV dürfen die Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art erheben, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar belastet sind. Nach Art. 110 Abs. 2 AEUV dürfen die Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten keine inländischen Abgaben erheben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu schützen. Der EuGH hat diese Vorschrift mehrfach – auch aus umsatzsteuerlicher Sicht – ausgelegt.

 

Rz. 7

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH[1] stellt eine beim Grenzübertritt einer Ware erhobene einseitige Abgabe, unabhängig von ihrer Beze...

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