Rz. 736

Mit der Richtlinie (EU) 2020/285[1] die zum 1.1.2025 in nationales Recht umzusetzen ist, wurde die vorherige Sonderregelung für Kleinunternehmen[2] grundlegend reformiert. Gleichzeitig wurde die sog. Zusammenarbeits-Verordnung (EU) Nr. 904/2010[3] entsprechend angepasst.

Nach der vorherigen Sonderregelung für Kleinunternehmen können nur Unternehmen, die in dem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem die MwSt geschuldet wird, von der mit der Regelung einhergehenden Steuerbefreiung (oder Nichterhebung der MwSt) profitieren. Ab 1.1.2025 können Kleinunternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind als in dem Mitgliedstaat, in dem die MwSt geschuldet wird, die Sonderregelung ebenfalls in Anspruch nehmen. Die bisher anders lautende Regelung in Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL wurde gestrichen. Unverändert ist, dass die Kleinunternehmerregelung weiterhin z. B. nicht gilt für innergemeinschaftliche Lieferungen neuer Fahrzeuge. Auch dürfen die Mitgliedstaaten weiterhin (vgl. Art. 283 Abs. 2 MwStSystRL) auch andere Umsätze von der Kleinunternehmerregelung ausschließen wie z. B. die Fälle, in denen der Unternehmer als Leistungsempfänger die Steuer schuldet (Reverse-Charge-Verfahren).[4]

[1] Richtlinie (EU) 2020/285 des Rates v. 18.2.2020 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf die Sonderregelung für Kleinunternehmen und der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 in Bezug auf die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und den Informationsaustausch zur Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung der Sonderregelung für Kleinunternehmen, ABl. EU 2020 Nr. L 62/13.
[3] Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates v. 7.10.2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABl. EU Nr. L 268/1.

4.39.1 Kernelemente der Kleinunternehmerregelung

 

Rz. 737

Kernelemente sind die unionsweite Festlegung eines Umsatzhöchstbetrages von 85.000 EUR, bis zu dem die Mitgliedstaaten kleine Unternehmen von der MwSt befreien können, sowie die Ausdehnung der nationalen Kleinunternehmerregelungen auf Unternehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Damit bleibt es eine nationale Entscheidung, ob und in welcher Höhe (bis zum Maximalbetrag) Kleinunternehmen befreit werden. Gibt es aber eine solche Befreiung, steht sie unter denselben Bedingungen auch Unternehmen aus dem europäischen Ausland offen.

Zentraler Punkt der Regelung ist der neu gefasste Art. 284 MwStSystRL. Danach können (optionale Regelung) die Mitgliedstaaten die Lieferung von Gegenständen und die Dienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet, die von in diesem Hoheitsgebiet ansässigen Unternehmern bewirkt werden, deren diesen Umsätzen zuzurechnender Jahresumsatz in diesem Mitgliedstaat den für die Anwendung dieser Steuerbefreiung von diesen Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwert nicht übersteigt, von der Steuer befreien. Dieser Schwellenwert darf 85.000 EUR oder den Gegenwert in Landeswährung nicht übersteigen. Die Mitgliedstaaten können anhand objektiver Kriterien unterschiedliche Schwellenwerte für verschiedene Wirtschaftsbereiche festlegen. Keiner dieser Schwellenwerte darf jedoch 85.000 EUR oder den Gegenwert in Landeswährung übersteigen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Unternehmer, der für die Inanspruchnahme mehrerer sektorspezifischer Schwellenwerte infrage kommt, nur einen dieser Schwellenwerte in Anspruch nehmen kann. Bei den von einem Mitgliedstaat festgelegten Schwellenwerten wird nicht zwischen in dem Mitgliedstaat ansässigen und nicht in dem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmern unterschieden (Art. 284 Abs. 1 MwStSystRL).

Nach dieser Regelung könnte Deutschland die bisherige Schwelle von 22.000 EUR für in Deutschland ansässige Kleinunternehmen auf bis zu 85.000 EUR anheben, was wegen der damit verbundenen Haushaltsmindereinnahmen fiskalisch aber kaum denkbar ist.

 

Rz. 738

Mitgliedstaaten, die eine Steuerbefreiung nach Art. 284 Abs. 1 MwStSystRL eingeführt haben, gewähren diese Steuerbefreiung auch für Umsätze, die in ihrem eigenen Hoheitsgebiet durch in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmmer bewirkt werden, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind (Art. 284 Abs. 2 MwStSystRL):

  1. der Jahresumsatz dieses Steuerpflichtigen in der Unionübersteigt 100.000 EUR nicht;
  2. der Betrag der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige nicht ansässig ist, übersteigt nicht den Schwellenwert, der in diesem Mitgliedstaat für die Gewährung der Steuerbefreiung für in diesem Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige gilt.

Nach dieser Regelung muss Deutschland, da es eine Kleinunternehmergrenze kennt, die Kleinunternehmerregelung auch auf nicht in Deutschland aber in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Unternehmer (auf deren Antrag im Ansässigkeitsstaat) anwenden, wenn der Jahresumsatz des Unternehmers in der gesamten Union nicht mehr als 100.000 EUR beträgt und der Jahresumsatz dieses Unternehmers in Deutschla...

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