5.1 Abgrenzung von Lieferung und sonstiger Leistung

 

Rz. 104

Die Abgabe verzehrfertiger Speisen und Getränken kann sowohl im Rahmen einer Lieferung als auch im Rahmen einer sonstigen Leistung vollzogen werden. Neben den nach unterschiedlichen Rechtsnormen zu bestimmenden Ort der Leistungen – die zwar aus systematischer aber meist nicht aus praktischer Sicht von Bedeutung sind – ist diese Unterscheidung für die Anwendung des zutreffenden Steuersatzes von entscheidender (praktischer) Bedeutung. Lieferungen von Speisen unterliegen regelmäßig gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz, wenn es sich bei dem einzelnen Liefergegenstand um eine Ware handelt, die in Anlage 2 zum UStG aufgeführt ist. Soweit es sich um Getränke handelt, gilt der ermäßigte Steuersatz allerdings nur für Milch (Nr. 4 der Anlage 2), Wasser (Nr. 34 der Anlage 2 in dem dort genannten Umfang) und für Milchmischgetränke (Nr. 35 der Anlage 2). Alle übrigen Getränke (insbesondere trinkfertiger Kaffee, Tee, Sprudel, Mineralwasser, Obstsäfte usw.) unterliegen dem allgemeinen Steuersatz. Auch Lieferungen verzehrfertig zubereiteter Speisen unterliegen dem ermäßigten Steuersatz, wenn sie in der Anlage 2 zum UStG aufgeführt sind. So sind z. B. Fleisch- und Fischgerichte als "Zubereitung von Fleisch bzw. Fisch" als Waren i. S.d. Nr. 28 der Anlage 2 zum UStG begünstigt.

 

Rz. 105

Unter die Begünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG fallen ausschließlich Lieferungen der in der Anlage 2 zum UStG aufgeführten Gegenstände. Werden anlässlich einer einheitlichen Leistung zusätzliche Leistungselemente erbracht, ist zu entscheiden, ob (noch) eine begünstigte Lieferung von Speisen oder eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung (Restaurationsumsatz) vorliegt. Enthält die einheitliche Leistung sowohl Elemente der Lieferung und der sonstigen Leistung, muss entschieden werden, was die Leistung prägt. Dabei kommt es nicht auf eine quantitative Betrachtung („welches Leistungselement ist mehr Wert“), sondern auf eine qualitative Beurteilung ("welches Leistungselement ist für die Leistung bestimmend") an. Dazu ist der wirtschaftliche Gehalt der Leistung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln.[1]

5.2 Historische Entwicklung bis 30.6.2011

 

Rz. 106

Ob ein Umsatz als Lieferung von (verzehrfertigen) Speisen oder als sonstige Leistung (Restaurationsumsatz) einzuordnen ist, war schon seit Einführung des derzeit geltenden Umsatzsteuerrechts zum 1.1.1968 wegen des unterschiedlichen Steuersatzes von entscheidender Bedeutung. Vom 1.1.1968 bis zum 30.6.2011 ergaben sich dabei verschiedene Ansatzpunkte, den zutreffenden Steuersatz gesetzlich zu regeln. Die wesentlichen Punkte der Entwicklung seit dem 1.1.1968 lassen sich wie folgt skizzieren:

 

Rz. 107

Mit Einführung des derzeit gültigen Umsatzsteuersystems zum 1.1.1968 wurde in § 3 UStG keine gesetzliche Abgrenzung zwischen den Lieferungen von Speisen und den Restaurationsumsätzen vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war offensichtlich davon ausgegangen worden, dass die Abgabe der verzehrfertigen Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle trotz des erheblichen Dienstleistungsanteils eine Lieferung darstellt. Zur Anwendung des maßgeblichen Steuersatzes war dann in § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG 1968 geregelt, dass die Lieferungen von Speisen und Getränken dann nicht ermäßigt zu besteuern sind, wenn sie zum Verzehr an Ort und Stelle geliefert wurden.[1] Als Verzehr an Ort und Stelle wurde nach § 5 der bis 31.12.1979 geltenden 3. UStDV[2] Folgendes geregelt: Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle geliefert, wenn sie nach den Umständen der Lieferung dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Ort der Lieferung in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden. Zum 1.1.1985 wurde diese Definition in § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 3 UStG übernommen, da der BFH[3] in diversen Urteilen die bisher auf § 26 Abs. 1 UStG gestützte Ermächtigung für die Definition in der UStDV für rechtunwirksam ansah.

 

Rz. 108

Mit Wirkung zum 27.6.1998 wurde die Regelung zur Nichtanwendung des ermäßigten Steuersatzes für die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle in § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 und S. 3 UStG aufgehoben.[4] Gleichzeitig wurde in § 3 Abs. 9 S. 4 UStG geregelt, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle eine sonstige Leistung ist. Nach § 3 Abs. 9 S. 5 UStG werden Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden. Diese systematische Anpassung wurde vorgenommen, nachdem der EuGH[5] festgestellt hatte, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen ist. Dabei wird dem Gast...

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